Mittwoch, 18. Januar 2023

Mein Onkel Hermann

Vor einiger Zeit habe ich hier im Blog über meinen Onkel Johannes berichtet. Heute will ich von meinem Onkel Hermann Runkel erzählen, der vor genau 100 Jahren, am 18. Januar 1923 geboren wurde. Mein Vater erzählte mir, dass er seinen Bruder im Dezember 1949 vom Bahnhof abholte, als dieser aus russischer Kriegsgefangenschaft heimkehrte. Zur Begrüßung hatte er das erste neugeborene Kind der Familie mitgebracht - mich, damals ein knappes Jahr alt.

Onkel Hermann (im Bild in der Mitte hinten) hat von dieser über vierjährigen Gefangenschaft, in der er fast an der Ruhr gestorben wäre, sehr bewegend erzählen können, daran erinnere ich mich gerne. Er hat eine Nottaufe erhalten, und zwar wenn meine Erinnerung richtig ist, von einem katholischen Priester, und er hat diese immer für zutiefst gültig angesehen, auch wenn die baptistischen Amtsträger zweifelnd blickten (von ihm aber schließlich keine zweite Taufe verlangen wollten). 

Später hat er zusammen mit seinen Brüdern Adolf und Johannes und seinem Vetter Ernst unser Familienunternehmen in der dritten Generation geführt. Das ging nicht immer spannungsfrei vonstatten, hat aber die vier Männer bis an ihr Lebensende - alle starben im Alter zwischen 76 und 78 Jahren - gut und sicher ernährt.

Wenn mein Vater sich über seinen drei Jahre jüngeren Bruder beschwerte, dann erzählte er meistens, dieser habe schon in jungen Jahren alle seine Verpflichtungen immer über-erfüllt. Trug mein Vater ein Kantholz aufs Gerüst, so trug Hermann zwei, und während sich die Brüder bei der Mutter vor mancherlei Küchenarbeit drückten, war Hermann zur Stelle, ohne Widerspruch zu leisten. "Charakter - das ist das schlimmste, was ein Mensch haben kann", sagte mein Vater dann gerne.

Der "Charakter" gab Anlass zu manchem Konflikt, wozu vielleicht auch die Tatsache beitrug, dass mein Vater Adolf einen Zwillingsbruder Hermann I hatte, der als Frühgeburt nach wenigen Wochen starb. Hermann II war dagegen ein gesundes und muskelstarkes Kind, das dem lange Zeit eher schwächlichen Adolf möglicherweise ein Konkurrent war. 

Ich werde heute Hermanns Sohn Peter besuchen und ihm eine Flasche Calvados bringen. Das war Hermanns Lieblingsgetränk, vermutlich weil er die einfachen Dinge liebte. Dieses Erbe habe ich gerne von ihm übernommen.

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