Mittwoch, 15. Juli 2009

Something Beautiful for God




Als Mutter Teresa, eine der bekanntesten modernen Heiligen der katholischen Kirche, erstmals vom Fernsehen entdeckt und um Zustimmung zu einer Reportage über ihr Werk gebeten wurde, hat sie sich erst einmal sehr zurückhaltend gezeigt. Nur durch die Intervention eines hochgestellten Geistlichen konnte sie am Ende überredet werden, einem englischen Fernsehteam ihr Haus für Filmaufnahmen zu öffnen. In einem Brief an den verantwortlichen Redakteur machte sie etwas zur Bedingung, was später ein oft zitiertes Wort von ihr wurde: try to make the world conscious that it is never too late to do something beautiful for God – versuchen Sie, der Welt deutlich zu machen, daß es niemals zu spät ist, um etwas Schönes für Gott zu machen.

Something beautiful for God - etwas Schönes für Gott - dieses Wort hat sicherlich vielen Menschen auf der ganzen Welt Inspiration gegeben, weit über den Kreis der Christen hinaus. Viele Menschen suchen nach etwas, das mehr ist als die bloße Pflichterfüllung im Rahmen ihrer religiösen Überzeugung. Sie suchen nach Schönheit als Mittel gegen die Gefahr grauer Eintönigkeit im Praktizieren ihres Glaubens.

Ich schreibe diese Gedanken zunächst einmal für meinen moslemischem Freund Nureddin Öztaş auf, von dem ich weiß, daß er schon lange sehr engagiert dabei ist, etwas Schönes für seinen Gott Allah zu tun. Ich schreibe dies auch, weil ich weiß, daß er sich Sorgen um den mangelnden Respekt macht, der dem Islam und seinen Nachfolgern vielerorts entgegengebracht wird. Vielleicht liegt eine Lösung für dieses Problem in dem Vorsatz, etwas Schönes für Allah zu schaffen.

In den letzten Wochen habe ich zu einer ganzen Reihe von jungen Moslems in der ganzen Welt Kontakt gehabt, und zwar über das Internet. Auch für Sie schreibe ich (und habe es auch in Englisch geschrieben), um sie zu ermutigen, etwas Schönes für ihren Gott zu tun. Mein Wunsch für sie alle ist, daß sie einen ganz persönlichen Weg finden, um den gewinnenden Charakter eines Lebens zu zeigen, das unter der Gewißheit steht: es gibt einen lebendigen Gott. Ich weiß, daß viele Moslems etwas fürchten, was sie in Englisch Islamophobia, also Islamfurcht nennen. Nach meiner Überzeugung besteht der beste Weg, negative Gefühle gegenüber dem Islam zu überwinden, darin, daß man offen für die Vorzüge seines Glaubens, für seine Schönheit wirbt.

Mein Freund Nureddin macht etwas Schönes für Gott, indem er an allererster Stelle den Menschen in seiner Umgebung sehr viel Freundlichkeit zeigt. Vielleicht ist das bereits der wichtigste Schritt. Ich habe von Nureddin gelernt, daß der Islam die Anschauung eines persönlichen Gottes kennt und seine Gläubigen dazu anhält, ein Leben in der beständigen Gegenwart Gottes zu führen. Für Nureddin trägt jede alltägliche Begegnung die Möglichkeit in sich, etwas von der Liebe und Barmherzigkeit weiterzugeben, die zum Charakter seines allgegenwärtigen Gottes gehört. Nureddin ist in der Türkei geboren worden und kam mit zehn Jahren nach Deutschland. Er ist Eigentümer einer Apotheke in Köln und bedient jeden Tag viele Hundert Leute. Wenn er ihnen freundlich begegnet, möchte er damit etwas von der Gegenwart Gottes und von seinem Wesen zeigen.

Ich habe Nureddin vom Beginn unserer Freundschaft an bis heute viel von meinem eigenen Glauben erzählt, von dem wir beide wissen, daß er sehr unterschiedlich von Nureddins Glauben ist. Ich habe ihm gesagt, daß Jesus Christus mit dem Ziel ein Mensch geworden ist, seinen Nachfolger zu ermöglichen, in ihrem Alltag in der Gegenwart des Gott-mit-uns leben zu können. Nureddin hat sehr freundlich geantwortet, daß er diesen Gedanken sehr gerne habe, auch wenn er nicht an die Möglichkeit glaube, daß Gott jemals Menschen werden könne. Trotz aller Differenzen sei er sich aber mit jedem Christen darüber einig, daß man um die unmittelbare Nähe Gottes wissen und seine Gegenwart in jeder menschlichen Situation erfahren kann.

Nureddin macht noch ein Zweites schön für Gott: er engagiert sich in gesellschaftlichen Projekten. Er arbeitet in einer Organisation, die Nachhilfe für Schulkinder gibt, denen das Lernprogramm der deutschen Schulen Schwierigkeiten bereitet, in der Regel, weil sie oder ihre Eltern nicht in Deutschland geboren sind. Er und seine Freunde planen den Start einer neuen Schule in der Nähe von Köln, die in gleicher Weise für Moslems und Christen offen sein soll. In dieser Schule wird der Islam nicht gelehrt, aber es sollen dort der Respekt und die Liebe für alle Kinder vorherrschen, die Nureddin als Prinzipien seiner Religion versteht. Die Pläne für eine solche Schule sind zunächst in der Öffentlichkeit auf Widerstand gestoßen, weil die Menschen den Verdacht hegen, daß Moslems eine solche Schule mit einem dunklen missionarischen Hintergrund betreiben werden. So wie ich Nureddin allerdings kennengelernt habe, werden die Menschen bald herausfinden, daß diese Schule ein guter und vernünftiger Platz sein wird - ein Geschenk der im Islam verwurzelten deutschen Bürger an ihre Gesellschaft, etwas Schönes für Gott.

Meine dritte Idee ist vielleicht die schwierigste: etwas Schönes für Gott zu tun, indem man Wege zur Freiheit für alle Menschen findet. Es gibt ja in der Welt nur wenige moslemische Staaten, in denen eine freiheitliche Demokratie wirklich vorhanden ist. Einer dieser Staaten ist die Türkei, aber Nureddin ist trotzdem kritisch gegenüber der Art und Weise, mit der nach seinem Eindruck der Westen traditionell islamischen Staaten die Demokratie aufzwingen möchte. Deshalb streiten wir uns auch gelegentlich über die Entwicklung im Irak - während ich mich darüber freue, daß die ihre Irakis eine lebendige Demokratie entwickeln können, fürchtet Nureddin, daß es sich hierbei nur um einen westlichen Lebensstil handelt, den die Irakis gar nicht freiwillig übernehmen wollen. Vielleicht irren wir uns beide, und ich schlage deshalb einen dritten Weg vor: ein politisches System zu finden, in welchem die Freiheitsrechte jedes einzelnen garantiert sind und in dem traditionell islamischen Werte bewahrt bleiben, Islam und Freiheit miteinander versöhnt.

Ich habe den ganz starken Eindruck, daß in diesen Tagen der Präsidentschaftskandidat Mir Hossein Mussawi im Iran und seine jungen Anhänger genau in diese Richtung einen versöhnlichen Weg finden wollen. Wäre es nicht etwas Schönes für ihren Gott, wenn ihnen dieser Weg gelingt? Man kann der Welt niemals das schöne Gesicht des Islam zeigen, ohne den Beweis zu führen, daß die Moslems ihrem Glauben in voller Freiheit folgen. Ohne Freiheit hat keine eligion Bestand.

Ein persönliches Wort am Ende: eine Reihe meiner neuen moslemischem Freunde habe ich über Twitter gewonnen. Wenn man dort als Suchwort iranelektion eingibt, findet man sofort eine große Anzahl von Leuten, die sich für Freiheit und für den Islam einsetzen. Oder wenn man marwa, den Vornamen der jungen ägyptischen Mutter eingibt, die von einem fremdenfeindlichen Verrückten in Dresden vor den Augen ihres Kindes erstochen wurde, dann findet man noch mehr junge Moslems, die sich für Menschenwürde und Gewaltlosigkeit einsetzen.

Ich schreibe dies für sie alle. Geht, und macht etwas Schönes für Allah. Die Welt wird die Schönheit erkennen und lieben - und sie wird euch dafür lieben.

P.S. für meine christlichen Freunde: möglicherweise gefällt ihnen der Gedanke nicht, der Islam könne in ähnlicher Weise Schönheit hervorbringen wie das Christentum, dessen in Jesus offenbarter Gott ja der Zielpunkt unseres Bekenntnisses ist "alle die Schönheit Himmels und der Eden ist verfaßt in dir allein". Ich kann darauf wenig antworten. Mir erscheint eine Welt, in welcher die großen Religionen darum ringen Schönheit hervorzubringen, besser zu sein als eine, in der Busse das Stadtbild beherrschen, die mit der Aufschrift herumfahren "Es gibt (wahrscheinlich) keinen Gott".

Das Foto mit persischen Fayencen, welche die Sure 1 zitieren, stammt aus einem anderen Blog.





1 Kommentar:

Peter Oberschelp hat gesagt…

"Es gibt (wahrscheinlich) keinen Gott" – Dazu aus der Sicht des Luhmannianers:

Alles ist unwahrscheinlich. Daß es Etwas gibt und nicht Nichts, ist hochgradig unwahrscheinlich. Daß es Leben gibt, ist in kaum nachvollziehbarer Weise unwahrscheinlich, der Mensch ist schwindelerregend unwahrscheinlich, daß Gott unwahrscheinlich ist, kann man ruhig hinschreiben, es besagt nichts. Erschütternd dumm ist dann allerdings der zweite Satz, der dann nach meiner Kenntnis folgt auf den Bussen: Also genieße das Leben. Was soll man sich bei diesem „also“ bloß denken.