Am Ende meiner Serie von Portraits aus Istanbul will ich eine kleine muslimische Predigt weitergeben, die uns
Cemal Uşak in der Schriftstellerstiftung gehalten hat. Ich ergänze sie um eine alte Erinnerung an eine ganz ähnlich lautende christliche Predigt, die ich vor Jahren hörte.
Cemal Uşak erzählte uns von der friedensstiftenden Mission der verschiedenen Gülen-Foren, zu denen man zunächst verfeindete Türken, später aber auch Gruppen anderer Länder eingeladen hat. Ja, sagte Cemal Bey, die Menschen kommen mit starken Überzeugungen und hart urteilenden Worten, und sie wollen dabei im Namen Gottes sprechen,
bismi Allahi wie es im Arabischen* heißt, wo das Reden
im Namen Gottes die beiden ersten Worte des Korans bildet. Nun sei es natürlich notwendig, daß in dieser Welt im Namen Gottes geredet wird, die Welt braucht Licht von Gott. Aber ungewiß ist, was genau Gott denn verlangt, daß es in seinem Namen geredet wird.
Eine Hilfe kann uns, sagte Cemal Bey, der erwähnte Anfang des Korans geben, der vollständig zitiert wie folgt lautet:
Bismi Allahi, al-rahmani, al-rahimi.
Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen.Cemal Uşak fuhr fort: wenn unsere Worte
im Name Gottes gesprochen sein wollen, dann müssen wir uns als erstes befleißigen, daß diese Worte von seiner
Gnade und Barmherzigkeit getragen sind. Das schließt unversöhnliche und verurteilende Worte aus.
Ähnlich hörte ich es vor vielen Jahren von einem jungen Pastor, der das unter Christen berühmte
Freuet euch in dem Herrn allewege.aus dem Philipperbrief (Kapitel 4,4) mit den gleich darauf folgenden Worten verband:
Eure Lindigkeit laßt kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe.
Auch der junge Pastor sagte: wir wollen gerne aus dem Wissen heraus reden, daß Jesus bald wiederkommt und das Ende aller Dinge nahe ist. Und wir werden dabei drohend und verurteilend. Aber derjenige, der weiß, daß das Ende aller Dinge wirklich nahe ist, soll dem Philipperwort folgen und seine
Lindigkeit (ein altes Lutherwort, das mittlerweile in der revidierten Lutherbibel durch das weniger farbige Wort
Güte ersetzt wurde) den Mitmenschen zeigen.
Cemal Uşak würde ergänzen: und damit die Gnade und Barmherzigkeit Gottes in der Welt aufleuchten lassen.
* im Hebräischen, wo sem oder schem „der Name“ bedeutet, würde es ganz ähnlich heißen b’schem elohim. Auch das rahmani / rahimi würde mit seinem Konsonantenstamm R-H-M, der im semitischen den umschließenden und bergenden Mutterleib anklingen läßt, im Hebräischen ähnlich lauten: rehem.