Montag, 4. Juni 2012

Zehn Bibelworte für Muslime (III)




Das Vaterunser



Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name.

(Matthäus 6 und Lukas 11)

Auch dieses Bibelwort ist - ähnlich wie Psalm 23 - in den Köpfen und Herzen vieler Christen jederzeit gegenwärtig, weil man es auswendig gelernt hat. Es ist ein schönes Gebet, das Jesus seine Jünger gelehrt hat, und dessen Kenntnis ich allen Muslimen ans Herz legen möchte, weil es ein großes Stück Verständnis für das Christentum öffnen kann.


Mir ist bewusst, dass an seinem Anfang mit dem Wort "Vater" zunächst einmal ein Warnschild für Muslime aufleuchtet, das schnell zum Stoppschild werden kann. Der Gedanke, dass Gott Kinder haben könnte, widerspricht ja dem reinen Monotheismus des Islam. Kann man als frommer Moslem dieses Warnschild unbeachtet lassen und das Gebet einmal ganz lesen*?

Ich meine: ja, man kann. Mit Freund Nureddin bin ich mir einig, dass die Freundlichkeit Gottes den Menschen gegenüber durchaus den Charakter der Freundlichkeit eines Vaters seinen Kindern gegenüber hat. Nureddin und ich können uns darauf verständigen, dass alle Menschen auf dieser Welt in diesem Sinn Kinder des Herrn der Welten sind, nach dessen Willen sie auf die Welt kommen und nach dessen Willen sie diese Welt eines Tages wieder verlassen werden.

Die Gebetshaltung des Vertrauens zu diesem Vater, mit dem dieses Gebet beginnt, ist sicherlich für jeden Moslem nachvollziehbar. Sie wird begleitet von dem ehrfurchtsvollen "geheiligt werde dein Name", auch dies in Worten gesagt, die so nicht im Koran erklingen, über die man sich aber als Glaubende, denke ich, jederzeit auf einer tieferen Ebene verständigen kann. "Dein Reich komme" - wer möchte das nicht mitbeten? "Dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf Erden" - ich denke, die ganze Bewegung dieses Gebetes ist einem muslimischen Beter nicht fremd.

Ich lade ein, einmal in Ruhe das ganze Gebet zu lesen. Es spricht in schneller Folge eine Anzahl erstaunlicher Bilder an - das tägliche Brot - Schuld und Vergebung - der Kampf gegen die Versuchung und das Böse.

Dieses Gebet bietet insgesamt eine Brücke zwischen einem regelmäßig betenden Moslem und seinem christlichen Nachbarn, von dem der Moslem praktisch nie sieht, dass dieser betet. Aber er betet auch! Und wenn er das tut, wird er sich oft wörtlich oder in einem weiteren Sinne an die Gebetsworte des Vaterunsers halten.

* Matthäus 6,5 – 15
Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die gern in den Synagogen und an den Straßenecken stehen und beten, damit sie von den Leuten gesehen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt.Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten.Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen. Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet. Darum sollt ihr so beten:

Unser Vater im Himmel!
Dein Name werde geheiligt.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft
und die Herrlichkeit
in Ewigkeit.
Amen.
Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.

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