Die New York Times hat die Lebensläufe und Fotos vieler Opfer dieser Katastrophe gesammelt. Das nicht fassbare Leid bekommt Gesichter und Namen.
„Eine Hand (yad) und einen Namen (schem) im Tempel“
verspricht der Prophet Jesaja (Kapitel 56,5) in einem neuen Zeitalter einer Gruppe von zuvor
unbeachteten Menschen. Israel hat dieses Wort zum Motto seiner Gedenkstätte Yad
Vashem gemacht und dort versucht, in einer gewaltigen Aufarbeitung der
Geschichte jedem einzelnen der 6.000.000 ermordeten Juden nicht nur eine
Identität sondern wenn irgend möglich auch eine Akte zu geben, Erinnerungen an
sein Leben, persönliche Daten. Eine Hand, ein Hand- oder Hinweiszeichen, ein
Name. Die Arbeit ist lange nicht vollendet und wird es wohl nie werden. Aber
allein der Versuch gibt jedem Toten ein Stück seiner Menschenwürde zurück.
Auch die Israelis betrauern ihre Toten, 56 bis zum heutigen
Tag, nach der Zählung der New York Times. Ihre Namen werden in den Zeitungen veröffentlicht, über ihre
würdevollen Beerdigungen wird in den Medien berichtet, auch das ist sehr
bewegend.
Was geschieht mit den Toten von Gaza? 1.202 sind es bis
heute, sagt die New York Times. Ihre Namen erfährt man gelegentlich auch, es
geschieht offenbar dann, wenn ein Journalist nach ihnen fragt, um auch den Tod
auf dieser Seite des Krieges ein wenig persönlich erscheinen zu lassen. Aber
einen Ort, wo man ihrer gedenkt, werden wohl nur wenige von ihnen bekommen. Man
sieht Bilder vom eiligen Herrichten der Gräber, manchmal mitten in den Trümmern. Auf den Gräbern befinden sich Pappschilder,
die der nächste Regen wegwaschen wird. Sie sind der einzige Hinweis auf den Menschen,
der hier liegt.
Die bekannte israelische Zeitung Haaretz berichtet, dass es
einer israelischen Menschenrechtsorganisation nicht erlaubt wurde, einen Radiobeitrag zu senden, in dem die Namen von fünf
getöteten Kindern aus Gaza erwähnt werden sollten. Die Radio- und Fernsehbehörde
hat den Beitrag untersagt, weil er „ideologisch kontrovers in der
Öffentlichkeit“ wirke. Man kann seinen Feind auch dadurch besiegen, dass man ihn namenlos
macht.
In der weiten Welt werden die Bilder aus Holland, Israel und
Gaza jeden Menschen vor die Frage stellen, auf welche Seite des Spektrums ihn
seine Beerdigung eines Tages stellen wird. Namenlos verscharrt oder mit einem festen
Hinweis und einem in Stein geschriebenen Namen versehen? Die Menschen, für die
es keine Hand und keinen Namen gibt, werden es mit Bitterkeit ansehen.
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