... und am
dritten Tag aus dem Doppeldachhaus
trug den von
Ribbeck man hinaus
Schloss Ribbeck |
Obwohl das
heutige Schloss Ribbeck in seiner Herrschaftlichkeit nur noch wenig an das schlichte Landhaus des sagenumwobenen Herrn von Ribbeck mit der Birne erinnert, kann man
an einem Nachbau des früheren Gebäudes im Park des Schlosses studieren, wie das Landhaus in etwa ausgesehen hat. Der heutige Herr von Ribbeck hat hier, nachdem
er die Rechte am Schloss an den Kreis Havelland abgetreten hatte, gegenüber dem
Schloss ein großes privates Wohnhaus neu errichten lassen.
Es hat mit dem alten Landhaus aus Theodor Fontanes berühmtem Ribbeck-Gedicht gemeinsam, dass es ein
Doppeldachhaus ist. Um diesen Begriff zu verstehen, muss man sich kurz
vergegenwärtigen, dass ein einfaches Dach mit zwei schrägen Flächen Satteldach
heißt und seitlich dreieckige Giebel hat, die bis zur Dachspitze reichen. Ersetzt
man auch diese Giebel durch schräge Dächer, so entsteht eine Art von Pyramide
mit einem längeren First, ein Walmdach.
Knickt man
dagegen das Dach nur an den beiden seitlichen Giebelspitzen ein wenig ab, so
bleibt der Giebel trapezförmig erhalten und wird nur von einem kurzen
Dachschopf nach oben begrenzt. Dieses Dach heißt entsprechend Schopfdach oder
gebräuchlicher Krüppelwalmdach.
Privathaus der Ribbecks im Schlosspark |
Ein solches
Krüppelwalmdach gehört also zum Neubau des derzeitigen Herrn von Ribbeck, den
er bewusst im Stil des alten Landhauses errichtet hat.
Theodor
Fontane, der die Sage vom Birnen spendenden alten Herrn von Ribbeck in den
letzten Jahren gehört haben muss, als das alte Landhaus noch stand (der Neubau
des Schlosses wurde 1895, drei Jahre vor Fontanes Tod errichtet), hat das Doppeldachhaus in einer freien eigenen Wortschöpfung selbst in das
Gedicht eingefügt.
Ich habe mir als Kind immer eine Art von Pagodendach mit einer doppelten Reihe von Dachrinnen vorgestellt. Das ist aber falsch.
Ich habe mir als Kind immer eine Art von Pagodendach mit einer doppelten Reihe von Dachrinnen vorgestellt. Das ist aber falsch.
Der heutige Herr von Ribbeck, der die Zeit zwischen Kriegsende und Wiedervereinigung in
Württemberg gelebt hat, hat sich übrigens darum bemüht, an Ort und Stelle einen
Birnenschnaps herstellen zu können. Dazu hätte er allerdings alte
Brennereirechte wieder aktivieren müssen, was offenbar nicht möglich war. So
kann man sowohl bei ihm als auch auf dem Schloss nur einen Birnenschnaps kaufen,
der nicht in Brandenburg, sondern in einer westdeutschen Brennerei hergestellt
wird.
Selbst
herstellen dürfte er seinen ebenfalls hier angebotenen Birnenessig, aber die
Museumsführerin im Schloss sagte uns, das es gar nicht so viele Birnen in der
Gegend gäbe, um daraus genügend Essig herstellen zu können. Auch hier muss man
sich mit importierter Ware behelfen.
Immerhin
kann man alle Dinge, die man hier kauft, mit einem grünen Stempel
"Ribbeck" versehen lassen, so auch ein kleines Buch mit
Textabschnitten aus Fontanes Werken, das ich mit Vergnügen lese. Der lakonische
Ton und die immer plastische und gut verständliche Ausdrucksweise faszinieren
heute wie damals. Fontane gehörte mit Dichtern
wie Flaubert und Dickens zu den europäischen Realisten und hat prägend auf spätere
Schriftstellergenerationen gewirkt. Thomas Mann etwa hat sich als
Fontaneschüler angesehen.
Dass er aus
einem Krüppelwalmdachhaus ein Doppeldachhaus gemacht hat, leitete meine
Fantasie geringfügig in eine falsche Richtung. Dem Fluss des Gedichtes aber hat
das kürzere und griffigere Wort gut getan.
DDR-Relief im Treppenhaus des Schlosses |
In der DDR-Zeit
hat der Staat das Schloss übernommen und ein Altersheim daraus gemacht. Die
Legende vom freundlichen Landjunker, der den Kindern Birnen schenkte, passte in
die sozialistische Ideologie nicht hinein. Im Treppenhaus ist ein großes Relief
zu sehen, das die DDR-Version der Birnengeschichte erzählt: links unten steht
ein blasierter Edelmann, der zwei armen Kindern mit herablassender Gebärde eine
Birne schenkt. Auf der rechten, oberen Seite herrscht dann aber der Sozialismus,
in dem fröhliche Kinder ebenso fröhlichen alten Leuten vom Ertrag des Birnbaums
in der Mitte des Bildes abgeben.
Die
Museumswärterin, die in der Nähe des Schlosses aufgewachsen ist, hat zu
DDR-Zeiten das Birnengedicht nicht kennen gelernt. Stattdessen lernte man
Fontanes John Maynard, vom Steuermann, der mit sicherer Arbeiterfaust sein
Schiff über den Eriesee steuerte und die Passagiere vor dem Feuer rettete. In
der DDR wurde die Willenstat verehrt, nicht die Mildtätigkeit.
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