Freitag, 1. September 2017

Doppeldachhaus


... und am dritten Tag aus dem Doppeldachhaus
trug den von Ribbeck man hinaus


Schloss Ribbeck
Obwohl das heutige Schloss Ribbeck in seiner Herrschaftlichkeit nur noch wenig an das schlichte Landhaus des sagenumwobenen Herrn von Ribbeck mit der Birne erinnert, kann man an einem Nachbau des früheren Gebäudes im Park des Schlosses studieren, wie das Landhaus in etwa ausgesehen hat. Der heutige Herr von Ribbeck hat hier, nachdem er die Rechte am Schloss an den Kreis Havelland abgetreten hatte, gegenüber dem Schloss ein großes privates Wohnhaus neu errichten lassen.

Es hat mit dem alten Landhaus aus Theodor Fontanes berühmtem Ribbeck-Gedicht gemeinsam, dass es ein Doppeldachhaus ist. Um diesen Begriff zu verstehen, muss man sich kurz vergegenwärtigen, dass ein einfaches Dach mit zwei schrägen Flächen Satteldach heißt und seitlich dreieckige Giebel hat, die bis zur Dachspitze reichen. Ersetzt man auch diese Giebel durch schräge Dächer, so entsteht eine Art von Pyramide mit einem längeren First, ein Walmdach.

Knickt man dagegen das Dach nur an den beiden seitlichen Giebelspitzen ein wenig ab, so bleibt der Giebel trapezförmig erhalten und wird nur von einem kurzen Dachschopf nach oben begrenzt. Dieses Dach heißt entsprechend Schopfdach oder gebräuchlicher Krüppelwalmdach.

Privathaus der Ribbecks im Schlosspark
Ein solches Krüppelwalmdach gehört also zum Neubau des derzeitigen Herrn von Ribbeck, den er bewusst im Stil des alten Landhauses errichtet hat.

Theodor Fontane, der die Sage vom Birnen spendenden alten Herrn von Ribbeck in den letzten Jahren gehört haben muss, als das alte Landhaus noch stand (der Neubau des Schlosses wurde 1895, drei Jahre vor Fontanes Tod errichtet), hat das Doppeldachhaus in einer freien eigenen Wortschöpfung selbst in das Gedicht eingefügt.

Ich habe mir als Kind immer eine Art von Pagodendach mit einer doppelten Reihe von Dachrinnen vorgestellt. Das ist aber falsch.

Der heutige Herr von Ribbeck, der die Zeit zwischen Kriegsende und Wiedervereinigung in Württemberg gelebt hat, hat sich übrigens darum bemüht, an Ort und Stelle einen Birnenschnaps herstellen zu können. Dazu hätte er allerdings alte Brennereirechte wieder aktivieren müssen, was offenbar nicht möglich war. So kann man sowohl bei ihm als auch auf dem Schloss nur einen Birnenschnaps kaufen, der nicht in Brandenburg, sondern in einer westdeutschen Brennerei hergestellt wird.

Selbst herstellen dürfte er seinen ebenfalls hier angebotenen Birnenessig, aber die Museumsführerin im Schloss sagte uns, das es gar nicht so viele Birnen in der Gegend gäbe, um daraus genügend Essig herstellen zu können. Auch hier muss man sich mit importierter Ware behelfen.

Immerhin kann man alle Dinge, die man hier kauft, mit einem grünen Stempel "Ribbeck" versehen lassen, so auch ein kleines Buch mit Textabschnitten aus Fontanes Werken, das ich mit Vergnügen lese. Der lakonische Ton und die immer plastische und gut verständliche Ausdrucksweise faszinieren heute wie damals. Fontane  gehörte mit Dichtern wie Flaubert und Dickens zu den europäischen Realisten und hat prägend auf spätere Schriftstellergenerationen gewirkt. Thomas Mann etwa hat sich als Fontaneschüler angesehen.

Dass er aus einem Krüppelwalmdachhaus ein Doppeldachhaus gemacht hat, leitete meine Fantasie geringfügig in eine falsche Richtung. Dem Fluss des Gedichtes aber hat das kürzere und griffigere Wort gut getan.

DDR-Relief im Treppenhaus
des Schlosses
In der DDR-Zeit hat der Staat das Schloss übernommen und ein Altersheim daraus gemacht. Die Legende vom freundlichen Landjunker, der den Kindern Birnen schenkte, passte in die sozialistische Ideologie nicht hinein. Im Treppenhaus ist ein großes Relief zu sehen, das die DDR-Version der Birnengeschichte erzählt: links unten steht ein blasierter Edelmann, der zwei armen Kindern mit herablassender Gebärde eine Birne schenkt. Auf der rechten, oberen Seite herrscht dann aber der Sozialismus, in dem fröhliche Kinder ebenso fröhlichen alten Leuten vom Ertrag des Birnbaums in der Mitte des Bildes abgeben.



Die Museumswärterin, die in der Nähe des Schlosses aufgewachsen ist, hat zu DDR-Zeiten das Birnengedicht nicht kennen gelernt. Stattdessen lernte man Fontanes John Maynard, vom Steuermann, der mit sicherer Arbeiterfaust sein Schiff über den Eriesee steuerte und die Passagiere vor dem Feuer rettete. In der DDR wurde die Willenstat verehrt, nicht die Mildtätigkeit.

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