Potsdam
Sanssouci |
Das Innere
des Hauses hat keinerlei Spuren weiblicher Wesen, die hier je gelebt haben
könnten. Man weiß, dass die Friedrich dem Großen angetraute Königin getrennt
vom König in einem eigenen Schloss lebte.
Man weiß
auch, dass es hinter dem spartanisch eingerichtetem Schlafzimmer des Königs
mit seinem berühmten harten Feldbett eine Bibliothek gab, die für alle Fremden streng
abgesperrt war. Nur der König und sein getreuer Kammerdiener Fredersdorf hatten
hier Zutritt. Die beiden hatten sich als junge Männer beim Flötenspiel
kennengelernt, und Voltaire war so frei, über Fredersdorf zu spotten, er sei in
Sanssouci in etwa das, was die Madame Pompadour in Versailles war.
Büste im "Mohrenrondell" |
Beachtenswert ist, dass zu Friedrichs Zeiten ein weiterer preußischer Soldat zu Weltruhm gekommen, der nach meinem Eindruck ebenso homosexuell war wie Friedrich auch. Es ist der Baron von Steuben (1730 bis 1794), der große Organisator von Washingtons Befreiungsarmee in den Vereinigten Staaten. In der Schlossstraße fand ich gestern das große Standbild des genialen Ordners im amerikanischen Durcheinander der Jahre 1775 und später.
Steuben |
Er muss eine
unsägliche Unordnung im amerikanischen Heer angetroffen haben, einen wilden
Haufen von Freischärlern und bäuerlichen Draufschlägern. So sah sich Steuben unter anderem genötigt, eine
Vorschrift für Zeltlager zu erlassen, die noch über 100 Jahre danach gültig
war: der Platz für die Kantine und der Platz für die Latrine mussten getrennt
und auf je entgegengesetzten Seiten des Lagers angelegt werden. Die Latrine
musste dabei möglichst weit zum Tal hin ausgehoben werden.
Auch der
Umgang mit Bajonetten wurde unter Steuben neu eingeübt. Bislang hatte man die
langen Messer auf der Spitze der Gewehre überwiegend zum Braten von Fleisch am
Lagerfeuer benutzt, ihre militärische Wirkung im Kampf Mann gegen Mann aber kaum
genutzt.
Steuben hat
für vier verschiedene Länder gekämpft, Preußen, Württemberg, Frankreich und die
USA. Er war dafür bekannt, an allen Orten hohe Schulden zu hinterlassen. Am
Ende seines Lebens musste er ein großes Landgut verkaufen, das ihm zuvor der
amerikanische Staat aus Dankbarkeit geschenkt hatte.
Ihm folgte überall
der Ruf nach, homosexuell zu sein. Man vermutet, dass sowohl der Abschied aus
den Diensten Friederichs als auch der Abschied von Württemberg erzwungen wurde,
nachdem die Gerüchte von seinen männlichen Liebschaften nicht mehr zurückzudrängen
waren.
Die
Amerikaner haben die Frage offenbar pragmatisch angepackt und ihr
puritanisches Auge blind gestellt. Sie feiern Steuben und mit ihm sein mustergültiges Deutschtum bis heute mit der traditionellen Steubenparade in New York.
Mit
Friedrich dem Großen und dem Baron Steuben haben wir zwei Männer vor uns, die
männliche Züge nicht nur mit Freude und mit Liebe angesehen, sondern sich
ihrer auch mit großer Energie und Zielstrebigkeit bedient haben. Sie konnten
Männerorganisationen zusammenschweißen, in eine gemeinsame Aktion lenken und
nötigenfalls auch lebensgefährliche Anordnungen treffen.
Wie hängt
das zusammen, die Liebe zu Männern und die enorme Kraft, männliche Truppen zu
führen? Man weiß, dass es eine Art von spontaner Homosexualität in solchen
Teilen der Armee gibt, wo Menschen für lange Zeit in kleinen Gruppen und allein
auf sich gestellt aushalten und kämpfen müssen.
Im Park von Sanssouci |
Erinnert sei
an dieser Stelle noch an das 1907 erschienene Gedicht Jenseits des Tales
standen ihre Zelte (Text von Börries Freiherr von Münchhausen, Melodie
von Robert Götz 1920). Einige haben es als „Das Lied vom schwulen König“
verächtlich gemacht, die Nazis haben es kaum je singen lassen, auch wenn man es früh durch Umstellung einiger Worte entschärft und zu einem der bekanntesten
Volkslieder gemacht hat. Noch andere haben den Text umgedichtet und ein
christliches Lied daraus gemacht.
Wikipedia
hat den folgenden Originaltext:
1.
Jenseits des
Tales standen ihre Zelte,
Zum roten Abendhimmel quoll der Rauch.
Das war ein Singen in dem ganzen Heere,
Und Ihre Reiterbuben sangen auch.
Zum roten Abendhimmel quoll der Rauch.
Das war ein Singen in dem ganzen Heere,
Und Ihre Reiterbuben sangen auch.
2.
Sie putzten
klirrend am Geschirr der Pferde,
her tänzelte die Marketenderin.
Und unterm Singen sprach der Knaben einer:
"Mädchen, du weißt, wo ging der König hin?"
her tänzelte die Marketenderin.
Und unterm Singen sprach der Knaben einer:
"Mädchen, du weißt, wo ging der König hin?"
3.
Diesseits
des Tales stand der junge König
Und griff die feuchte Erde aus dem Grund.
Sie kühlte nicht die Glut der heißen Stirne,
Sie machte nicht sein krankes Herz gesund.
Und griff die feuchte Erde aus dem Grund.
Sie kühlte nicht die Glut der heißen Stirne,
Sie machte nicht sein krankes Herz gesund.
4.
Ihn heilten
nur zwei knabenfrische Wangen
Und nur ein Mund, den er sich selbst verbot.
Noch fester schloss der König seine Lippen
Und sah hinüber in das Abendrot.
Und nur ein Mund, den er sich selbst verbot.
Noch fester schloss der König seine Lippen
Und sah hinüber in das Abendrot.
5.
Jenseits des
Tales standen ihre Zelte,
Zum roten Abendhimmel quoll der Rauch.
Und war ein Lachen in dem ganzen Heere
Und jener Reiterbube lachte auch.
Zum roten Abendhimmel quoll der Rauch.
Und war ein Lachen in dem ganzen Heere
Und jener Reiterbube lachte auch.
Die
Interpretation sagt, dass der König dem Liebeswerben der vulgären Marketenderin
ausgewichen und auf die andere Seite des Tales gewechselt ist. Seine Liebe gilt
einem der Reiterbuben.
Romantischer als hier ist eine solche Liebe einem
eingefleischten Heterosexuellen wie mir wohl nie nahe gebracht worden.
3 Kommentare:
Bei dem Thema kann man Sparta, als die Urquelle sozusagen, nicht außer Acht lassen.
Ein interessanter Post über ein Lied, das ich gar nicht kannte, aber über die Beschäftigung mit einem Frühlingsgedicht von Münchhausen gestolpert bin. Und da es mir ähnlich beim Lesen des Textes ähnlich gegangen ist, wie im letzten Absatz des Posts formuliert, hinterlasse ich einen Kommentar. Liebe kennt keine Grenzen...
Einen schönen Maifeiertag!
Astrid
Vielen Dank, Astrid!
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