In Köln konnte man in der vergangenen Woche zwei besonderen Besuchern begegnen: Zélie Martin und ihr Mann Louis, er ein Uhrmacher aus Alençon in der Normandie. Die beiden sind schon seit über 100 Jahren tot,
dürfen aber derzeit als Reliquien durch die Welt reisen und werden an vielen
Orten mit großer Verehrung empfangen.
Sie sind die Eltern der bekannten Heiligen Thérèse von
Lisieux, die zusammen mit der anderen Heiligen Theresa (von Avila) als Lehrerin
der katholischen Kirche hoch verehrt wird und seit 1925 auch in den Kreis der
Heiligen aufgenommen wurde. Später wurden auch die beiden Eltern
heiliggesprochen, im Jahre 2015, von Papst Franziskus. Zélie und Louis also
sind es, die jetzt als Reliquien um die Welt reisen, offenbar mit dem Ziel,
solchen Pilgern eine Begegnung zu ermöglichen, welche die Reise in die
Normandie, nach Lisieux und in die dortige Basilika der heiligen Thérèse nicht
auf sich nehmen wollen.
Eingeladen wurden die beiden Heiligen von der
monastischen Gemeinschaft von Jerusalem, einem katholischen Orden,
dem vom Kölner Erzbischof eine der schönsten Kölner Kirchen zur Verfügung
gestellt wurde, Groß St. Martin im Herzen der Altstadt. Hier haben sie ihr
Zentrum und lassen die Besucher der Kirche an ihren weihevollen Gottesdiensten, den schönen Gesängen und ätherischen Harfenklängen teilhaben. Die ganze Stadt Köln
sei ihr Kloster, schreiben Sie in einem Vorstellungsprospekt, und ihre ruhigen
Gebetszeiten in der Kirche seien eine Einladung, im Lärm der Stadt Frieden zu finden.
Ein Besucher aus der Türkei, den ich mit zu einem der
Gottesdienste nahm, war von den mit allerlei Tüchern verhüllten Frauengestalten
sehr angetan. So verhüllt waren ihm bisher nur muslimische Frauen begegnet.
Dass die modernen Nonnen und Mönche auf mittelalterliche Art und Weise Reliquien verehren und sie sogar zu Besuchen in
ihrer Kirche empfangen, hat mich verwundert. In Charles Taylors "A SecularAge" ist die neuzeitliche "Entzauberung der Welt" besonders deutlich
am Wegfall der Reliquienverehrung abzulesen. Wir heutigen verstehen die Kraft
nicht mehr, welche für die mittelalterlichen Menschen von den Reliquien
ausging. Es lag unmittelbare Zauberwirkung auf ihnen, wie überhaupt auf vielen Gegenständen und Orten der damaligen Welt. Das galt auch für die sterblichen Überreste besonders
begabter Menschen. Man schöpfte aus ihrer Gegenwart Kraft und ließ sich - verzaubern.
Das alles ist mit der protestantischen Reformation und der
Aufklärung verschwunden. Ob es die Schwestern und Brüder der Gemeinschaft von
Jerusalem schaffen, hier wieder ein mittelalterliches Bewusstsein zu erwecken,
mitten in der großen Stadt Köln?
1 Kommentar:
Ich habe Koln zweimal besucht. Es hat eine reiche Geschichte, die ich im römischen Museum erkundet habe.
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