Mittwoch, 28. August 2019

Havelurlaub (IV) - der deutsche Che Guevara


Nicht weit von unserem Ferienhaus entfernt steht auf einer kleinen Anhöhe ein Denkmal, das an ein Ereignis im April 1809 erinnert. Damals war der als Freischärler hervorgetretene Ferdinand von Schill - mittlerweile halbwegs in das reguläre Militär eingebunden - mit seinem Regiment zu einer Manöverübung aus der Potsdamer Kaserne ausgerückt und weigerte sich, den Befehl des Königs  auszuführen und wieder in die Kaserne zurückzukehren. Stattdessen verlas er auf diesem Hügel über der Havel einem flammenden Appell für die Freiheit, um darauf mit seinen begeisterten Leuten vollends aus Potsdam abzurücken und draußen im Land den Kampf gegen die Franzosen aufzunehmen.

Diese hatten Deutschland 1806 fast komplett besetzt und das Königshaus gezwungen, in die äußerste östliche Ecke des Reiches zu fliehen. Hier ist die schöne und energische Königin Luise dem Kaiser Napoleon persönlich entgegen getreten und hat versucht, von Deutschland zu retten, was noch zu retten war.

Drei Jahre fand Schill eine Situation vor, in der es immer mehr möglich erschien, die Franzosen durch einen Volksaufstand mit Guerilla-Zügen zu vertreiben. Das gelang dann letztlich auch, aber eher durch eine Änderung der Koalitionen. Preußen schlug sich auf die Seite Russlands, Frankreich verlor Verbündete, und am Ende war Deutschland wieder frei.

Dem Freischärler Schill hat der Kampf das Leben gekostet. Er fiel in einem Straßenkampf in Stralsund, nur einen Monat, nachdem er aus Potsdam ausgerückt war.

Ein Gedenkstein steht auf dem Hügel, auf dem er seine große Rede gehalten hat. Die Stelle ist auch heute noch strategisch wichtig – hier geht die Ost-West Achse von Potsdam mit der Baumgartenbrücke über die Havel und gliedert sich in das lang gestreckte Straßensystem der heutigen Bundesstraße B1 ein, die von den Preußen so geplant und ausgeführt wurde, dass sie Aachen und Königsberg miteinander verband.

Die Befreiung von den Franzosen wurde später allgemein gefeiert. 1833 hat der bekannte Pfarrer Krummacher beim Besuch des Kronprinzen in Elberfeld eine feurige Predigt gehalten, in dem er das nationale Verdienst der Deutschen in drei bemerkenswerten Punkten festhielt:

1. Die Reformation
2. Der Pietismus 
3. Die Befreiung von den Franzosen

Heute versteht man diesen Dreiklang kaum noch. Aber im 19. Jahrhundert war er lebendig und bestimmte Herzen und Sinne.

2 Kommentare:

Peter Oberschelp hat gesagt…

... um darauf mit seinen begeisterten Leuten vollends aus Potsdam abzurücken und draußen im Land den Kampf gegen die Franzosen aufzunehmen: Geht es nicht in Fontanes vor dem Sturm ganz ähnlich zu?

Christian Runkel hat gesagt…

Peter, ich habe bei Fontane bisher nichts über Schill gefunden.Ich muss gelegentlich intensiver suchen!