Mittwoch, 21. August 2019

Havelurlaub (I) - über dunkle Kiefernwälder



In diesem Jahr liegt unser Ferienhaus in einer Waldsiedlung, die sich von der Havel aus etwa 2 km ostwärts in Richtung der Potsdamer Schlösser erstreckt. Das früher unbewaldete Gebiet wurde als "Wiese Gallin" um 1685 von den Brandenburger Kurfürsten angekauft, ihre Nachfolger forsteten später das Gebiet auf, um in dem Wald Enten zu jagen, die für die Tafel des Hofes bestimmt waren.

Nach 1918 verloren die preußischen Könige ihre Regierungsmacht, behielten aber Teile ihres privaten Grundbesitzes, so auch den Wald auf der früheren Wiese. 1928 wurde er von der Vermögensverwaltung der Hohenzollern in kleine Parzellen aufgeteilt und an Privatleute verkauft, die sich hier in Sichtweite der Havel ansiedeln wollten.

Die Parzellen boten ausreichend Platz, um neben den neuen, meist villenartigen Häusern auch die alten Bäume stehen zu lassen, überwiegend die in dieser Gegend heimische Kiefer mit ihren hohen Kronen und den schönen roten und grauen Stämmen, dazu Eichen und Birken.

In der DDR-Zeit wurden weitere Parzellen erschlossen und überwiegend zum Bau von "Datschen" genutzt, kleinen Holzhäusern, die sich privilegierte Kreise nach russischen Vorbild auf weitläufigen Grundstücken errichteten, um dort ihre Wochenenden und ihre Ferien zu verbringen.

Unserem Balkon im Obergeschoss eines 2005 gebauten Hauses liegt eine solche alte Datsche gegenüber, auf der anderen Seite des Erschließungsweges, der aus einer einfachen, aus märkischen Sand gebauten und mit etwas Schotter befestigten Piste besteht Diese Datsche und wird nach Angaben unseres Vermieters von einem steinalten ehemaligen Stasi-Offizier bewohnt, der keinen seiner Nachbarn je grüßt.

Seine Datsche wird mittlerweile von zwei Neubauten eingerahmt, zweigeschossige Häuser mit großen Dachstühlen, die das kleine Haus noch winziger erscheinen lassen als es ohnehin schon ist. Auf der rechten Seite ist ein schöner Holzneubau entstanden, der von Ärzten bewohnt wird, die aus Hessen stammen und sich hier im Kreis niedergelassen haben. Links von der Datsche steht ein ebenso großes neues Haus, vor dem ein hoher Mast mit einer deutschen Fahne errichtet ist. Sie grüßt uns, wenn wir morgens auf unserem großen Balkon treten, behält aber das Rätsel für sich, aus welchem Grund der Hausbesitzer sich auf diesem Weg zu Deutschland bekennt.

Weiter hinten verschließt der Wald weitere Blicke. Die Stämme leuchten rot, die Wipfel in schönem dunklen Grün, Ob man Angst haben muss, bei einem großen Sturm von einem der manchmal recht schräg stehenden, meist über 20 m hohen Stämme erschlagen zu werden? Die Menschen in dieser Waldsiedlung leben offenbar mit der Gefahr und verlassen sich auf die tiefen Wurzeln der Kiefern.

Im halbjährlich erscheinenden Journal des Ortes wird das Problem angesprochen, dass die für einen Neubau gefällten alten Bäume nicht in ausreichendem Maße nachgepflanzt werden. Die Ersatzbäume sind vielfach zu jung und sind nicht – wie von der Ortssatzung gefordert – gleich in größeren Gruppen angepflanzt.

Eine eigenartige Sorge treibt diesen Ort außerdem noch um: dass man in der Einflugschneise zum neuen Berliner Flughafen liegen wird, der fast 50 km von hier entfernt im Bau ist. Kommt er denn überhaupt? Für die Leute hier ist die Erwartung relativ real – und bedrohlich.

Nach zwei Tagen in diesem Wald erscheint es mir die natürlichste Sache von der Welt zu sein, unter hohen Kiefern zu wohnen. Leider wachsen diese schönen Bäume nicht überall so prächtig wie hier im märkischen Sand. Sonst sollte man sie überall haben!

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