Asbury |
Ross Douthat schreibt: „Die Begegnung auf der Straße nach
Damaskus erschuf Paulus, den Apostel, aber sein Leben danach war Organisieren,
Predigen, Briefe schreiben - und Ledersohlen.“
Er beantwortet damit eine wichtige Frage, die mir häufiger begegnet ist: was geschieht mit Menschen, die ein sehr
eindringliches Gotteserlebnis gehabt haben in ihrem späteren Lebensalltag?
Douthat sagt: Sie haben es mit den üblichen Schwierigkeiten des Lebens zu tun, auch
wenn sie in ihrem inneren Wesen verändert sind.
Memorial des Blaise Pascal |
Dies hat den argentinischen Dichter Jorge Luis Borges,
selbst mit übernatürlichen Erlebnissen vertraut, dazu veranlasst, ein wenig
spöttisch zu schreiben, warum denn Pascal sein Leben lang endlose grüblerische Gedanken
über den Glauben aneinandergereiht habe, wenn er doch dieses eine große Licht
gesehen hat.
Ich denke, dass die New York Times hier eine Antwort hat.
Menschen erleben, dass ihnen das Göttliche begegnet, oder dass eine Kraft aus
der anderen Welt in ihr Leben einströmt und es verändert. Was danach geschieht
und in welche Richtung diese Veränderung geht, bleibt zunächst offen.
Bemerkenswert ist aktuell, dass die Leiter der Universität Asbury
sehr bemüht darum sind, keine Kräfte von außen zu erlauben, sich der Bewegung zu
ermächtigen und sie für ihre Zwecke zu nutzen. Es gab wohl auch schon
Trump-Anhänger, die das versucht haben.
Die Versuchung ist groß. Schon die frommen Pietisten haben sehr
auf eine dauernde Wirkung der Erweckung gedrängt und gesagt: "Wenn der
Bauer sich bekehrt, muss das Vieh im Stall es merken". Das ist ein schöner
Satz, der aber nicht bedeutet, dass die Kühe jederzeit einen Bauern beobachten,
von dem ein besonderes Erweckungslicht ausgeht. Er soll an bestimmten Stellen
seines täglichen Handels anders sein als vorher. Aber das sind eben einzelne
Stellen, nicht sein permanent sichtbares Äußeres.
Auch die Frommen der Brüdergemeinde, aus der meine väterliche
Familie stammt, haben von einem ihrer Gründer, John Nelson Darby, das Motto
erhalten, in ihren Gottesdiensten solle die Gegenwart des Heiligen Geistes jederzeit spürbar sein. Ich halte dieses
„jederzeit“ für problematisch und möglicherweise sogar Ursache für eine
angestrengte und manchmal unangemessene Heiligkeit.
Ich finde den Gedanken besser, den der säkulare Auto Rüdiger
Safranski geäußert hat: Der Gläubige sagt, dass ihm etwas begegnet und in sein
Leben getreten ist, das jetzt in ihm glaubt. Glaube gründet auf einer
Offenbarung, die im Inneren eines Menschen weiterlebt.
So wünsche ich mir den Glauben, bei mir, bei meiner Gemeinde
und in der ganzen Welt: ein Etwas, dass in mir glaubt, und das in solchen
Erweckungserlebnissen wie im Asbury immer wieder einmal neu ins Leben gerufen
wird.
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