Montag, 27. Februar 2023

Erweckung

Asbury
Zu den erstaunlichen Berichten aus der kleinen Universitätsstadt Asbury in Kentucky hat die New York Times einen Kommentar veröffentlicht. Dieser erinnert an die berühmte Erweckung des Apostels Paulus vor Damaskus.

Ross Douthat schreibt: „Die Begegnung auf der Straße nach Damaskus erschuf Paulus, den Apostel, aber sein Leben danach war Organisieren, Predigen, Briefe schreiben - und Ledersohlen.“

Er beantwortet damit eine wichtige Frage, die mir häufiger begegnet ist: was geschieht mit Menschen, die ein sehr eindringliches Gotteserlebnis gehabt haben in ihrem späteren Lebensalltag? Douthat sagt: Sie haben es mit den üblichen Schwierigkeiten des Lebens zu tun, auch wenn sie in ihrem inneren Wesen verändert sind.

Memorial des Blaise Pascal
Eine andere berühmte Erweckung hat es bei dem französischen Philosophen und Mathematiker Blaise Pascal im Jahre 1654 gegeben. Er wollte sich sein Leben lang daran erinnern und hat ein „Memorial“ in seinen Rock eingenäht, auf dem die Erlebnisse aufgeschrieben waren.

Dies hat den argentinischen Dichter Jorge Luis Borges, selbst mit übernatürlichen Erlebnissen vertraut, dazu veranlasst, ein wenig spöttisch zu schreiben, warum denn Pascal sein Leben lang endlose grüblerische Gedanken über den Glauben aneinandergereiht habe, wenn er doch dieses eine große Licht gesehen hat.

Ich denke, dass die New York Times hier eine Antwort hat. Menschen erleben, dass ihnen das Göttliche begegnet, oder dass eine Kraft aus der anderen Welt in ihr Leben einströmt und es verändert. Was danach geschieht und in welche Richtung diese Veränderung geht, bleibt zunächst offen.

Bemerkenswert ist aktuell, dass die Leiter der Universität Asbury sehr bemüht darum sind, keine Kräfte von außen zu erlauben, sich der Bewegung zu ermächtigen und sie für ihre Zwecke zu nutzen. Es gab wohl auch schon Trump-Anhänger, die das versucht haben.

Die Versuchung ist groß. Schon die frommen Pietisten haben sehr auf eine dauernde Wirkung der Erweckung gedrängt und gesagt: "Wenn der Bauer sich bekehrt, muss das Vieh im Stall es merken". Das ist ein schöner Satz, der aber nicht bedeutet, dass die Kühe jederzeit einen Bauern beobachten, von dem ein besonderes Erweckungslicht ausgeht. Er soll an bestimmten Stellen seines täglichen Handels anders sein als vorher. Aber das sind eben einzelne Stellen, nicht sein permanent sichtbares Äußeres.

Auch die Frommen der Brüdergemeinde, aus der meine väterliche Familie stammt, haben von einem ihrer Gründer, John Nelson Darby, das Motto erhalten, in ihren Gottesdiensten solle die Gegenwart des Heiligen Geistes jederzeit spürbar sein. Ich halte dieses „jederzeit“ für problematisch und möglicherweise sogar Ursache für eine angestrengte und manchmal unangemessene Heiligkeit.

Ich finde den Gedanken besser, den der säkulare Auto Rüdiger Safranski geäußert hat: Der Gläubige sagt, dass ihm etwas begegnet und in sein Leben getreten ist, das jetzt in ihm glaubt. Glaube gründet auf einer Offenbarung, die im Inneren eines Menschen weiterlebt.

So wünsche ich mir den Glauben, bei mir, bei meiner Gemeinde und in der ganzen Welt: ein Etwas, dass in mir glaubt, und das in solchen Erweckungserlebnissen wie im Asbury immer wieder einmal neu ins Leben gerufen wird.

 

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