Tochter Eva ist nach zwei Konzerten in Leverkusen und Kiel wieder in Berlin zurück und schickt mir diese schöne Lobeshymne einer Rezensentin der "Kieler Nachrichten"
Zerbrechlich und stringent
Sängerin Eva Jagun mit ihrem Debüt „My Blue Hour“ im KulturForum
Von Almut Behl
Kiel. Bescheidenheit ist eine Zier. Und was für eine! Eva Jagun steht im marineblauen Mini auf der Bühne wie dereinst die blutjunge Marianne Rosenberg. Ihr Charme wirkt schüchtern, mädchenhaft, introvertiert, ihre
faszinierende Stimme mit leicht gebrochenem Vibrato eine Mischung aus reifem Babydoll-Touch, metallisch und schmelzend, immer wieder Akzente in den Höhen setzend, aus denen sie startet und wie aus dem Nichts in medias res geht.
Diese Verbindung aus Zerbrechlichkeit und Stringenz, gepaart mit einer an die 60er Jahre gemahnenden Schlagerbühnenpräsenz mag harmlos sein, das 50köpfige Publikum im KulturForum fand es am Mittwoch Abend zurecht hinreißend. Natürlich ist die schöne Blonde Projektionsfläche für vielleicht nicht nur musikalische Traumreisen, die im Konzert vorwiegend nach Südamerika führen und mit Bossa und Samba eigentlich ein Fall für die Dance Night bei Jazz Baltica wären.
Ein bisschen komisch ist es schon, wenn die best gelaunte Band sich durch das herrliche Mahlwerk der Rhythmen arbeitet, ohne dass sich vor der Bühne mehr als ein Fußwippen regt. Vielleicht hat man genug mit der Augen- und Ohrenweide zu tun: Dem verschmitzten Hamburger Matthias Trippner, der mit hochgezogenen Schultern nach hinten gelehnt spielt, als köchelte in den Drumkesseln eine gefährlich dampfende Suppe. Wie emsig-zart er Besen rührt und gern stumpfe Synkopen an die Trommelränder setzt, zur späteren Stunde mit Karacho die Hihat-Feuerwehr klingeln lässt! Der Oberösterreicher Manuel Zacek am Bass glänzt mit Mimik und Körperseinsatz zu virtuosen Soli. Hochkonzentriert am Flügel die formvollendete Disziplin von Kelvin Sholar (Detroit), der aufrecht sitzend Läufe aus dem Handgelenk perlen lässt und nonchalant improvisierend ins American Songbook lugt.
Die Combo und ihre sympathische Sängerin verharren in den Eigenkompositionen und mit Hommagen an Carlos Jobim und Joao Bosco nicht in gefälligem Brasil-Kitsch und Partyklängen, sondern reiben sich auch an und in Gegensätzen, bleiben trotz treibender Rhythmen bedächtig, lassen sich mit Unschuldsmiene zu melodischen Spielereien hinreißen und haben dabei einen existenziell seriösen oder melancholischen Unterton. Schön, wenn Eva Jagun das Publikum mit einer „Ode an die Melancholie“ oder betörenden Wiegelied-Anklängen namens „Why“ hypnotisiert, sich Publikum und Begleitung stets freundlich zuwendet, gestisch unaffektiert Summen oder Scat unterstreicht. Oben Frohsinn, unten norddeutsche, leicht narkotisierte Gebanntheit, in die auch Evas bluesiger Titel „Tell me some lies“ mit wunderbarer Louisiana-Leisure passt. Diese Stimme wird ihren Weg machen, auf der neuen Brigitte-Compilation ist sie soeben neben Till Brönner gelandet. Man möchte dieser Perle mehr als Lounge-Langeweile wünschen, ein Schrittchen ins Experimentelle vielleicht? Wir sind gespannt auf das Wiedersehen.
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