Mittwoch, 30. Januar 2013

Ali Baba wohnt hier nicht



Ramallah, 27. Januar 2013

Der 51jährige Mohammed, im Amtssitz von Mahmud Abbas zuständig für die Versorgung der Präsidentengarde (das Foto an seiner Wand zeigt ihn, wie er Abbas die Hand schüttelt), hat ein Wort, für den speziellen Mann, den jeder Orientreisende fürchtet wie sonst nichts in der Welt: Ali Baba. So heißt für Mohammed der Kerl, der als verschlagener Taxifahrer dem ahnungslosen Touristen den doppelten Fahrpreis in Rechnung stellt, so heißt der trickreiche Kellner, der am Ende allerhand Gerichte auf die Rechnung setzt, die der Tourist gar nicht gegessen hat, so heißt generell der Einheimische, der es versteht, dem naiven Fremdling die Preise abzuverlangen, die dieser zuhause gewohnt ist, und nicht die oft ja viel günstigeren Preise des Gastlandes. Mohammed hat diesen Ali Baba besonders bei seinen Reisen in die Türkei kennen gelernt, und ich bestätige ihm lachend, dass ich den Mann dort auch gesehen habe.


Dann wird Mohammed ernst und schüttelt den Zeigefinger energisch in der Luft: in Palästina gibt es diesen Typen nicht! Vollkommen unbekannt hier! Der Palästinenser achte und schätze seinen auswärtigen Gast und würde ihm niemals mehr abverlangen als einem Landgenossen.

Und tatsächlich - wir haben in Palästina keine einzige Rechnung bezahlt, von der wir den Eindruck hatten, ein Einheimischer wäre zu einem günstigeren Preis an die Leistung gekommen. Schon bei meiner ersten Fahrt von der israelischen Grenze nach Jenin - etwa 10 km - hatte ich im vergangenen Jahr 25 Schekel (€ 5,-) bezahlt, was mir günstig erschien. Auch in diesem Jahr habe ich für längere Fahrten nie mehr als 50 Schekel bezahlt. Die Einheimischen haben mir gesagt, man solle den Taxifahrer (der nie ein Taxameter in seinem Auto hat) jeweils vor Antritt der Fahrt fragen. Der von ihm genannte Preis sei in den allermeisten Fällen fair und marktüblich.

Nach und nach haben wir die Taxen, die nicht nur in den Städten zu finden sind, sondern auch zwischen den Dörfern beständig hin und her pendeln, als kleine gelbe Engel zu lieben gelernt, die uns im Notfall selbst an einem entlegenen Punkt gefunden und in den nächsten Ort gebracht hätten. Die palästinensische Taxiflotte besteht aus kanariengelben Autos, nach meiner Beobachtung zu drei Vierteln Skodas der Klasse "Octavia", und ich fühlte mich beim Besteigen eines solchen Autos immer besonders zuhause, weil auch dort ein Octavia in der Garage auf mich wartet, ein blauer allerdings.

Mohammed ist in vielen Ländern des Nahen Ostens gewesen, er war als junger Mann Soldat in der jordanischen Armee. Auf seinen Autofahrten durch die endlose saudiarabische Wüste hat er sich immer sicher gefühlt. Er fürchtet nichts. Außer Ali Baba.

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