Israelisches Dorf in der Nähe von Kafr Malik |
Vor meiner
Reise habe ich hier im Blog ein paar Erwartungen und Vermutungen niedergeschrieben,
von denen ich bereits damals angenommen habe, dass sie meine Reise nicht
überstehen werden. So ist es auch gekommen. Mein etwas grobschlächtiger Vergleich mit zuwandernden Amerikanern und
ortsansässigen Indianern stimmt nicht. In Palästina kämpft keine junge, überlegene Kultur wie
die amerikanische gegen einen vorindustriellen Stamm von Jägern und Sammlern,
wie den der Indianer.
Ich vermute aber trotzdem,
dass sich im Westen, besonders in den USA, das fehlende Unrechtsgefühl
gegenüber den „Siedlungen“, die ich bewusst in Anführungszeichen setze, aus
genau der alten romantischen Vorstellung speist, die in dem israelischen Settler
einen geistigen Verwandten der Europäer sieht, die im 18. und 19. Jahrhundert mit Pferd
und Wagen auszogen, um die Kartoffel nach Idaho zu bringen und den Weizen nach Dakota, und
zusammen damit den Willen zur Gewinnung bürgerlicher und glaubensmäßiger Freiheiten.
Aber nichts davon trifft auf die Israelis zu, die hoch oben auf den Bergen wie in
fernen Burgen wohnen und die das Land, in das sie gekommen sind, nur von weitem
kennen.
Keiner von
ihnen bearbeitet, beackert das Land, keiner bringt den Optimismus der israelischen Kibbuzniks
mit, die nach 1945 Sümpfe trockenlegten und Wüsten zum fruchtbaren Land
machten. Ein Teil von ihnen lebt von der Sozialhilfe, gefangen in einem Teufelskreis von
orthodoxer Frömmigkeit, Freistellung vom Wehrdienst und Nichtzulassung zum
Arbeitsmarkt. Man pflegt seine Frömmigkeit, das ist lobenswert, das haben die
amerikanischen Siedler auch getan, aber die haben vorher erst einmal ein
Tagewerk Prärie-Acker unter den Pflug genommen und erst dann die Bibel
aufgeschlagen.
Ein anderer Teil nutzt die kurzen Wege hinüber in das geschäftliche Zentrum von Tel Aviv, pendelt morgens nach dorthin ein und freut sich, nicht mit den anderen Arbeitskollegen um die teuren Wohnungen im Großraum Tel Aviv kämpfen zu müssen.
Ein anderer Teil nutzt die kurzen Wege hinüber in das geschäftliche Zentrum von Tel Aviv, pendelt morgens nach dorthin ein und freut sich, nicht mit den anderen Arbeitskollegen um die teuren Wohnungen im Großraum Tel Aviv kämpfen zu müssen.
Diese
Menschen sind so wenig Siedler wie die Aachener, die in den nahen belgischen
Grenzraum um Eupen und Malmedy umgezogen sind und dort bessere Wohnbedingungen
und günstigere Steuern vorfinden. Diese Aachener wohnen dort aber auch nicht mit dem
Anspruch, unter ihren Füßen verwandelte sich das Land in einen Teil der
Bundesrepublik Deutschland.
Warum ziehen
diese Pseudo-Settler nicht ein paar Kilometer nach Süden und besiedeln die Wüste
südlich von Be‘er Scheva? Sie würden einen Traum des Staatsgründers Ben Gurion
erfüllen, der mit seinem demonstrativen Umzug in einen Wüstenkibbuz alle
fortschrittsbegeisterten Israelis nach Süden locken wollen. Der Grund für den Unwillen, dort im Süden eine Wohnung zu finden, ist
profan: das Bergland nördlich von Jerusalem, durch das wir in den letzten Tagen
gewandert sind, ist mit seinen oft an die 1.000 m hohen Erhebungen der einzige
Ort zwischen Mittelmeerküste und Jordan, in dem es sich im Sommer einigermaßen
gut aushalten lässt. Dagegen ist Be’er Sheva in der Sonnenglut eher so etwas wie die
mexikanische Wüste jenseits des Rio Grande. Wer will da schon hin?
Mein Freund
Avi Deul in Tel Aviv, der als säkularer Jude eher links ausgerichtet ist,
vermutet, dass die meisten „Siedler“ im Bewusstsein leben, dass ihre Existenz
im fremden Land nicht auf Dauer ist. Irgendwann wird man ihre Wohnungen in
einen größeren Handel einbeziehen und den Palästinensern zurückgeben.
Vielleicht werden einige auch bleiben – und schlicht und unauffällig leben wie die Aachener in Belgien. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Aber der Weg, den man jetzt eingeschlagen hat, macht keinen Sinn, weil er auf der Lüge beruht, es hier mit "Siedlern" zu tun zu haben.
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