Die
freikirchliche Gemeinde der Baptisten in Bonn ist die Heimat meiner Tochter
Judith, ihres Mannes Johannes und ihres Sohnes Jakob. Außerdem gehören zwei
meiner Schwestern in diese Gemeinde. Ich habe also ein Heimspiel, wenn ich dort
gelegentlich als Laienprediger zu Besuch bin.
Herzliche Grüße aus Remscheid, und zu Beginn ein Kompliment an eure mir sehr liebe Gemeinde: es ist der einzige Ort in der Welt, wo es mir vergönnt ist – beim letzten Mal habe ich es erleben dürfen – so zu predigen, dass mein Enkel davon einschläft.
1.
Jesu zentrale Botschaft
Nun, Ihr sollt
natürlich nicht einschlafen, ich will Euch vielmehr mitnehmen, herunter an den See Genezareth und an den Weg,
über den die Leute zurückkommen, die Jesus predigen gehört habe. Wenn man diese
Menschen, die abends am See Genezareth entlang nachhause gehen, gefragt hätte:
was hat er denn gesagt, dann hätten sicherlich viele von ihnen einen bestimmten
Satz wiederholt: das Himmelreich ist nahe herbeigekommen, kehrt um! Nach allem,
was wir in der Bibel lesen, ist das seine zentrale Botschaft gewesen.
Und es ist
nicht nur seine Botschaft gewesen, sondern es war vorher bereits die Botschaft
von Johannes dem Täufer und es wurde später die Botschaft der Jünger, die Jesus
in die Städte und Dörfer Galiläas aussandte. Das trug er ihnen auf zu sagen:
das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!
„Basileia to
uranos“, die Königsherrschaft des Himmels, oder „basileia to theu“, die
Königsherrschaft Gottes, steht im griechischen Urtext. In der Sprache des
damaligen Palästina wird es ähnlich geklungen haben. Ein König wird seine
Herrschaft antreten.
Im
Matthäusevangelium wird diese Botschaft mit einer einleitenden Bemerkung besonders
markiert (eine „Markierung“, die sich später noch einmal in ähnlichen Worten
wiederholt, ich komme darauf zurück). In Kapitel vier (4,17) heißt es
Von da an begann Jesus zu predigen
und zu sagen: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!
„Von da an“
- vorher hatte er etwa 30 Jahre im Hause seiner Eltern verbracht, hat
sicherlich früh angefangen, seinem Vater bei der Arbeit zu helfen und ist dann
wie viele andere zum Jordan hinunter gegangen, um sich von Johannes taufen zu
lassen. Der hat ihn als den Gesandten Gottes erkannt, Gott hat sich in der
Taufe zu Jesus bekannt, der Teufel hat ihn in der Wüste versucht und danach
heißt es eben „von da an“.
2.
Das Himmelreich
Von da an begann Jesus zu predigen
und zu sagen: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!
Was ist
dieses Himmelreich, das Reich Gottes, von dem er redet? Meine Frau, der ich
eine Urfassung dieser Predigt vor einigen Wochen vorgelesen habe, hat mich
ermahnt, dass ich hier erklären soll, was das Himmelreich ist. Sie hat Recht.
Aber wie soll ich es tun? Ich denke, dass nicht einmal Jesus die Rede vom Wesen
des Himmelreichs jemals in einem Satz auf den Punkt gebracht hat. Er hat ja stattdessen in vielen
Bildern vom Reich Gottes gesprochen.
In
Erinnerung sind sicherlich vielen von uns seine Gleichnisreden von der Saat.
Das Himmelreich ist wie eine Saat, es muss sich deshalb gegen viel Unkraut
behaupten, es kann nur dort wachsen, wo man ihm Raum gibt, es kann unterschätzt
und verachtet werden, weil das Samenkorn so klein ist, aber am Ende wird man überwältigend
viel Frucht sehen.
Das ist das
größere Bild, in welches nun die Verse hineingehören, die ich aus dem
Predigtplan des heutigen Sonntags, der „Perikope“ entnommen habe. Sie stehen im
13. Kapitel des Matthäusevangeliums, dort ist eine Reihe von Gleichnissen zum
Himmelreich versammelt. Kurz vor dem Ende werden die beiden Gleichnisse
genannt, die heute im Mittelpunkt unseres Gottesdienstes stehen sollen:
Matthäus 13, 44 - 46
Das Reich der Himmel gleicht einem
Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner
Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker.
Wiederum gleicht das Reich der Himmel
einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, und als er eine kostbare Perle fand,
ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.
In diesen
beiden Bildern wird das Himmelreich als etwas sehr Schönes dargestellt. Es
glänzt wie Gold, es schimmert wie eine Perle, es ist sehr begehrenswert.
Menschen geben dafür alles her. Das ist ein bewegendes Bild.
3.
Das Himmelreich ist schön
Alles dafür
hergeben - ich habe in dem Predigtentwurf, den ich meiner Frau vorgelesen habe,
zunächst überwiegend von der Schwierigkeit reden wollen, diese vollkommene
Hingabe zu erreichen. Ich glaube aber, dass dieses Problem nicht im Mittelpunkt
des Bildes steht. Es geht in erster Linie um die Schönheit des Himmelreiches
und um unsere tiefe Sehnsucht, Anteil daran zu haben.
Manchmal
geht uns der Begriff dafür verloren, dass Gottes Reich schön ist, ja dass Gott
selbst nicht nur in seiner Person die Liebe und die Gerechtigkeit und die
Weisheit ist, sondern auch die Schönheit ist. Ich habe als Kind gern das Lied
„Schönster Herr Jesu, Herrscher aller Enden“ gesungen, aber immer leise Bedenken
in meinem Herzen getragen, ob man so von Jesus und Gott singen darf. Sind sie
"schön", Gott und Jesus, ist ihr Reich „schön“? Ich glaube heute,
dass man das so sagen darf, ja, dass man den Gedanken manchmal sogar ganz
bewusst in sein Herz hinein lassen sollte.
4.
Das vollkommene Opfer ist schwierig
Und trotzdem
möchte ich den Gedanken von der Schwierigkeit der vollkommenen Hingabe doch
noch einmal aufgreifen. Was ist, wenn es uns nie im Leben gelingt, diese
vollkommene Entschiedenheit aufzubringen, die der Mensch hat, der alles hergibt
und den Acker oder die Perle kauft? Was ist, wenn für uns das andere Bild vom
Himmelreich gilt, wo es heißt, dass es zwar wie eine Saat aufgeht, dann aber vom
Unkraut überwuchert wird, vom Unkraut der täglichen Sorgen (Matthäus 14,22)? Was
ist, wenn wir viel Grau und wenig Gold sehen?
Schön, dass
die Bibel uns beides berichtet, die heiße Liebe zum Himmelreich, die alles
andere beiseite schiebt, aber auch die alltägliche Mühe mit einer Vorstellung
vom Himmelreich, das sich immer weiter von uns entfernt, je mehr uns das Reich
des Alltags bedrängt.
Wie können
wir das eine, die Schönheit, stärker in den Blick bekommen und das andere, das
Grau der Sorgen, zurückdrängen?
5.
Eine zweite Botschaft
Ich sagte zu
Beginn, dass die Botschaft vom Himmelreich die markanteste Botschaft im Leben
Jesu gewesen ist. Ich habe aber auch hier lange überlegt, ob ich diese Predigt einzig
auf dem Gedanken aufbauen sollte, dass diese Botschaft zentral und erstrangig gewesen
ist. Ich glaube, dass sie es war, ich bin sicher, dass sie zumindest so wichtig
ist, dass niemand Jesus wirklich verstehen kann, der diese Botschaft nicht
hört.
Aber unser
zuverlässiger Evangelist Matthäus berichtet am Ende auch von einer zweiten
Botschaft Jesu, und auch diese Botschaft leitet er wieder mit den ähnlichen
Worten ein „von dieser Zeit an“ begann Jesus etwas zu lehren. Diesmal sind wir
einige Kapitel weiter, es ist das 16. Kapitel (16,21) und es beginnt der Weg
hinauf nach Jerusalem, der Weg in die Passion. Und hier markiert Matthäus an
der zweiten entscheidenden Stelle seines Evangeliums eine Botschaft mit den
Worten „ab hier“:
Von der Zeit an begann Jesus, seinen
Jüngern zu zeigen, wie er nach Jerusalem gehen und viel leiden müsse von den
Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten und getötet werden und am
dritten Tage auferstehen.
Eine zweite
Phase beginnt, eine zweite Offenbarung. Welche Rolle spielt nun die Botschaft
vom Himmelreich in dieser zweiten Phase, der Passionsphase? Natürlich nimmt
Jesus nichts von dem zurück, was er in der ersten, der scheinbar noch
friedlicheren, weniger bedrückten Phase gesagt hat. Dass er nach Jerusalem
hineingeht, das ist ja ebenfalls Anbruch des Himmelreichs. Er tut dort etwas,
was bereits in den alten Schriften vorhergesagt worden ist, er reitet als der von
Gott gesandte König in Jerusalem ein.
Haben die
Leute noch in Erinnerung, was in den alten Schriften über diesen König gesagt
wird? Er ist sanftmütig und reitet zum Zeichen seiner Demut auf einem Esel ein,
so heißt es im Propheten Sacharja (9,9). Er wirkt wie ein König zweiter Klasse,
und er ist tatsächlich ein König einer ganz anderen Art, und am Ende wird es
für die Jünger ganz unerträglich, dem zuzusehen, was seine Königsherrschaft
bedeutet. Und sie fliehen angesichts seines Elendes und seines Sterbens.
6.
Beide Botschaften gehören zusammen
Aber dann stelle
ich mir vor, wie sich die Jünger viele Jahre nach Golgatha, nach Kreuz,
Auferstehung und Himmelfahrt die alten Geschichten vom Himmelreich neu in
Erinnerung gerufen haben und dann etwa verstanden haben, dass die Rede vom
Samenkorn, das in die Erde fällt und viel Frucht bringt, letztlich auf den Tod
Jesu zu deuten war. Die Saat des Himmelreiches bekommt hier eine tiefere und
reichere Bedeutung.
Die Jünger haben
später verstanden, dass das Reich Gottes mit dem Erscheinen Jesu mitten in der
Welt angebrochen war, aber dass es in einer oft kleinen und gefährdeten Gestalt
unter den Menschen sichtbar war. Aber sie haben schließlich auch gesehen: geblieben
ist, dass es schön ist und glänzend und wertvoll wie eine Perle.
Manchmal kommen
einem Zweifel, ob das wirklich so ist. Etwa dann, wenn man mit „Reich Gottes“
die ganze Realität der Kirchen und Gemeinden in dieser Welt anspricht. „Ich
arbeite im Reich Gottes“ sagt einer und deutet damit an, dass er zu einer
großen Organisation gehört, zu der etwa auch das Gebäudemanagement dieses
Hauses, die Wartung seiner Heizung, die Organisationen von Fahrdiensten und
Mahlzeiten und Gruppenstunden und Gottesdiensten und vieles andere gehört. Da
muss man gelegentlich daran erinnert werden, dass das Reich Gottes schön ist
wie eine Perle und glänzend wie ein Schatz im Acker, sonst werden die Sorgen
des Reiches Gottes selber zu dem Unkraut, das unseren Glauben gefährdet.
Aber dann
darf man sich daran erinnern, dass Jesus in seinem Leiden und Sterben die ganze
Liebe des Vaters im Himmel den Menschen offenbart hat. Diese unendliche Liebe
ist der letzte und tiefste Grund, warum das Reich der Himmel schön ist und
kostbar und glänzend.
Liebe ist
immer schön. Und die ganze und vollkommene Liebe Gottes ist die Summe aller
Schönheit.
7.
Konkrete Schönheit
Ich möchte
Euch am Ende Schönheit und Glanz dieses Reiches noch einmal mit einem kleinen
Wort vor Augen führen, dass ich vor zwei Wochen erstmals gelesen habe und das
mich persönlich sehr angesprochen hat. In diesem Wort heißt es von einem
Menschen, der das Himmelreich kennt aber auch gleichzeitig im Leiden steckt: dem Leidenden gibt Gott nicht einen
Gedanken, der alles erklärt. Ich habe das mit einem gewissen Erschrecken
als einen Satz gelesen, der diametral gegen meine eigene Tendenz steht, immer
alles mit großen Gedanken erklären zu wollen und Gott auch zu bitten, mir
möglichst alles zu erklären und möglichst sofort. Das Reich Gottes ist kein
Sinngebungsautomat, von dem man alles erklärt bekommt.
Der Satz
geht dann weiter: Gott bietet ihm seine
Antwort an in Form einer begleitenden Gegenwart, einer Geschichte des Guten,
die sich mit jeder Leidensgeschichte verbindet. Eine Geschichte des Guten!
Das Reich Gottes ist eine solche Geschichte
des Guten, es ist ein roter Faden, es ist eine Leine, an der man sich
festhalten kann und an der entlang man leben kann. Das Himmelreich ist voll mit
Zuspruch und voll mit Worten, die tatsächlich aus dem Himmel kommen.
Das ganze
Wort lautet wie folgt:
Dem Leidenden gibt Gott nicht einen
Gedanken, der alles erklärt, sondern er bietet ihm seine Antwort an in Form
einer begleitenden Gegenwart, einer Geschichte des Guten, die sich mit jeder
Leidensgeschichte verbindet, um in ihr ein Tor zum Licht aufzutun.
Es ist ein
neues Wort, gerade erst erschienen, und es ist aus der ersten Enzyklika desneuen Papstes. Man weiß, dass diese Enzyklika zu den größeren Teilen noch vom
alten Papst niedergeschrieben wurde, und wer die Sprache unseres „Mozarts der
Theologie“ wie man den Professor Joseph Ratzinger ja bezeichnet, einigermaßen
kennt, weiß, dass es von ihm ist.
Hinein
genommen in eine Geschichte des Guten! Ich möchte gerne diesen Satz als mein
persönliches Bild vom Glanz und von der Schönheit des Reiches Gottes hier ans
Ende stellen. Ich denke, dass es in euren Herzen viele ähnliche schöne Sätze
gibt. Ohne solche Sätze können wir nur sehr schwer das Leben bestehen. Vielleicht
nehmt ihr diesen Satz neu mit zu eurem Schatz dazu, als eine kleine Perle, für
die man vieles andere hergeben würde.
Gott segne
Euch – bis wir uns wieder sehen! Irgendwann wird das einmal da sein, wo das
Reich Gottes in sichtbarer, endgültiger Gestalt erscheint, in ewigem Glanz. Auf
diesen Moment freue ich mich.
Amen.
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