Samstag, 18. Oktober 2014

Puzzlestücke für einen neuen Zugang zum Glauben

Spirit Rock Meditation Center in Kalifornien
Charles Taylors Buch durchzieht der Gedanke, dass es trotz aller Säkularisierung doch immer noch einen freien Zugang zum Glauben gibt. Er sieht die Tür dazu in einem spirituellen Erleben, das vor und jenseits von den traditionellen, fest verfassten Glaubenssätzen steht. An einer anderen Stelle habe ich das mystische Naturerlebnis des Bede Griffiths nacherzählt, das Taylor an den Anfang seines Buches stellt. So oder ähnlich ist es vielen Menschen innerhalb und außerhalb der großen Religionsgemeinschaften ergangen, sie haben auf die eine oder andere Art Fülle erlebt, fullness sagt Taylor, das erweckt immer neue Zugängen zum Glauben.

Mit gerunzelter Stirn stehen die Vertreter der traditionellen christlichen Glaubenslehren daneben und sehen die Menschen von dem abrücken, was in den heiligen Büchern der Kirchen aufgeschrieben steht. Ohne Bücher, im Gegenteil: wort- und namenlos machen diese neuen Gläubigen ihre Erfahrungen , das kann nicht der Weg eines Christenmenschen sein, dem gesagt und aufgeschrieben worden ist, was Gottes Wille ist!
Im Gespräch mit einem Freund, der sich nach und nach von seinem christlichen Glauben entfernt hat, weil ihm gerade das Gesagte und Aufgeschriebene und das zu Gesetz Gewordene der Christen zur Last geworden war, habe ich sein Zeugnis gehört: der Sprung aus der Ordnung eines persönlichen Gottes hinein in eine Leere und in ein Nichts erwies sich für ihn als heilsam. Das Nichts erschien ihm plötzlich als tragender Urgrund, als der „leere Grund, aus dem alles fließt“.
Ich gestehe, dass mir das fremd ist. Ich frage mich aber, ob es zwischen diesem östlich geprägten Glauben und der Botschaft von Jesus eine Vermittlung gibt. Es wäre wünschenswert, dass es so wäre, denn sonst ist die große Zahl der Menschen mit einer neuen spirituellen Sehnsucht für den christlichen Glauben vermutlich verloren.

Ich fand jetzt eine solche Vermittlung, eine Art von fehlendem Puzzlestück, und zwar in einem Bericht über das buddhistisch inspirierte “Spirit Rock Meditation Center” in Kalifornien. An diesem Ort, schön in den Hügeln der dortigen Weingegend gelegen, wird von dem lange Jahre in Asien ausgebildeten amerikanischen Buddhisten Jack Kornfield alles das an moderner „Achtsamkeit“ und „Leben im Hier und Jetzt“ gelehrt, was man auch an anderen modernen Ausbildungsstätten lernen kann. Aber Kornfield hat aus eigenem Antrieb noch etwas Drittes hinzugefügt.
„Kornfield und seine Kollegen begannen nach und nach daran zu glauben, dass Amerikaner eine bestimmte Meditationspraxis benötigten, die eng mit den Konzepten der Selbstvergebung und einer liebenden Freundlichkeit verknüpft war – eine Ausbildung in der vorbehaltlosen Annahme der Unvollkommenheit. Ohne eine solche Grundlage, sagt Kornfield, kann Meditation leicht nur eine andere Form des Strebens  werden - eine weitere Sache, die man tut, um sich selbst besser zu machen.“ (aus dem Bericht der New York Times)
Mir war beim Lesen so, als ob in das wort- und namenlose Bedenken östlicher Weisheiten plötzliche Worte hinein gesagt werden – „du bist geliebt“, „dir ist vergeben“ – Worte, wie sie am Ende nur ein Glaube sagen kann, der sich schließlich doch auf eine Offenbarung des Göttlichen in menschlichen Worten bezieht.
Ich möchte das als Puzzlestück aufzeigen und möchte damit bewusst keine Gegensätze aufbauen. Ich möchte mich stattdessen mit jedem Menschen freuen, der aus dem „immanent frame“ (Charles Taylor), dem rein diesseitigen Denkschema heraus, das uns allen als default option gemeinsam ist, eine Lücke in Richtung auf eine andere Welt hin entdeckt. Und ich möchte den Christen Mut machen, dem im Wortlosen Meditierenden nicht ihre Wort-Theologie als harten Gegensatz zu präsentieren, sondern darauf zu warten, bis er vielleicht am Ende ganz von selbst danach fragt, wo es Worte ewigen Lebens gibt.     

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