Illustration zu "Aus dem Leben eines Taugenichts" (der mir als ein in die Welt Hinaustretender in den Sinn kam). |
Ich nehme einmal das einfache Bild, dass wir aus dem Haus gehen müssen, um die Welt zu sehen und dann zu erklären. Dann frage ich: warum gehen wir überhaupt aus dem Haus, was gibt uns den Mut dazu? Hier sehe ich das „Etwas“ am Werk, von dem Du ebenfalls schreibst. Wir benötigen es, sagst Du, weil es uns Menschen hilft zu überleben. Erst wenn wir dieses „Etwas“ haben, können wir aus dem Haus gehen, etwas erfahren und es dann zu erklären versuchen.
Was ist dieses Etwas? Ich vermute, dass du sagen wirst, das erste Etwas, dass uns aus dem Haus treibt, ist der Hunger. Als Jäger und Sammler müssen wir hinaus in Wald und Feld, um uns etwas zu Essen zu verschaffen. Aber nun haben wir uns mittlerweile zu komplizierten, von hohen Kulturen geprägten Wesen entwickelt. Wir sind zu sensiblen und komplexen Überlegungen in der Lage, was die Erwartungen betrifft, die wir mit dem Herausgehen aus dem Hause verbinden.
Deshalb spielt das allgegenwärtige Böse in der Welt in unsere Überlegungen hinein. Wir müssen uns mit der Wahrscheinlichkeit eines Unglücks, einer Ungerechtigkeit beschäftigen und Strategien finden, wie wir das alles verhindern oder zumindest damit fertig werden können. Erst sehr viel später gehen wir daran, zu erklären, warum uns Unglück und Ungerechtigkeit zustoßen.
Bei Lin Yutang finde ich ein Bekenntnis dazu, dass er seinen Lebensoptimismus unter Anderem daraus bezieht, dass es „kein dauerhaftes Unrecht auf der Welt gibt". Bei Dir finde ich etwas Ähnliches - ich sehe (und bewundere) eine jungenhafte Unbekümmertheit, die den Wunsch nach einer „besseren Welt" ("packen wir's a") jederzeit als erfüllbar erscheinen lässt.
All das sind für mich frühe Formen des "Etwas" und damit einer Vor-Religiosität, die man gar nicht dekonstruieren kann.
Was Lins Optimismus betrifft, so erscheint es mir so, dass er überhaupt kein wirklicher Atheist ist, sondern ein Christ, der seinen feines religiöses Gespür noch weiter verfeinern will, indem er aus Liebe zu Gott diesem Gott ein wenig Arbeit ersparen und auf seine Hilfe verzichten will. Das macht einen sehr noblen Eindruck (und wird seine Wirkung auf Gott sicherlich nicht verfehlen, sage ich mit einem Augenzwinkern).
Ich führe aber gegen solche Annahmen ins Feld, dass der darin steckende Optimismus viel zu einfach und undialektisch gedacht ist. Am Ende ist nicht der Glaube naiv, seine Verneinung ist es.
Der Glaube denkt weiter und kommt dann zu den grüblerischen Gestalten eines Hiob oder Jesaja, bei denen der gesamte Lebensoptimismus in einem großen Leid untergeht - und eigentlich an dieser Stelle erst wieder gewonnen wird, und zwar endgültig und auf einem höheren, sichereren Niveau.
Lieber Gruß
Vetter C.
2 Kommentare:
Lieber Christian
wir hatten uns, zumindest implizit, darauf geeinigt, dass wir in diesem Dialog jedem seine Weltsicht lassen würden; also wir üben "Missionnierungsverzicht". Deswegen hatte ich "historisch formuliert": "Abstrakte theologische Konzepte sind in der Regel aufwendige Versionen einfacher und ansteckenden „spiritueller“ Volksvorstellungen. Und im Gegenzug, atheistische Konzepte sind aufwendige De-Konstruktionen dieser einfachen Vorstellungen und ihrer aufwendigen Weiterentwicklungen der Weltreligionen." Zum "vor-religiösen Vorstellungen" (im historischen Sinne), wenn sie zeitlich vor dem liegt was in der Religionswissenschaft als "people religion" (z.B. Schamanentum) bezeichnet wird, kann ich mich nicht äußern; diese Vorstellung sind wahrscheinlich im Tier-Mensch-Übergangsfeld gemeinsam mit unseren kognitiven mentalen Systemen enstanden.
Fortsetzung bei: http://ukkoelhob.blogspot.de/2014/11/letter-to-my-cousin-whose-name-is.html
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