Sonntag, 29. März 2020

Erinnerungen in den Zeiten von Corona (III): Die Rattenburg


Oberhalb des Hauses meiner Großeltern lag das Ausflugsrestaurant „Rattenburg“. Es hatte den etwas unheimlich klingende Namen von einem in der Nähe gelegenen sumpfigen Wald, um den eine Volkssage kreiste.

An dieser Stelle habe, erzählt die Sage, vor Urzeiten eine stolze Burg gestanden, die aufgrund irgendwelcher Verfehlungen ihrer Bewohner mit einem Fluch belegt worden war. In dessen Folge versank sie mehr und mehr im Boden und war am Ende nicht mehr zu sehen. Tief unten lebten aber die Bewohner weiter – wenn ich es richtig in Erinnerung habe in der Form von Ratten. Daher der Name Rattenburg.

Samstag, 28. März 2020

Erinnerungen in den Zeiten von Corona (II): Der Affensturz


Im Dreieck zwischen den Dörfern Dreibäumen, Bergisch Born und dem Buchholzen meiner Großeltern entspringt der Eifgenbach. Er fließt von hier aus zunächst südlich um Wermelskirchen herum, dann an Dabringhausen vorbei und mündet in der Nähe des Altenberger Doms in die Dhünn.

Es gibt insgesamt vier Quellen des Eifgen, die jeweils in einem kleinen Taleinschnitt liegen. Dieser beginnt bei den oberen beiden Quellen in einem schönen, regelmäßig geformten Randterrain, das ein wenig wie die Zuschauertribüne eines großen natürlichen Theaters aussieht. Im Zentrum dieser Arena liegt die Quelle.

Die dritte Quelle liegt etwas versteckter. Sie war in den fünfziger Jahren, als meine Schwester Sigrid und ich bei den Großeltern Ferien machen durften, verbreitert worden und bildete damals einen kleinen Tümpel. An der Stelle, wo er aufgestaut war, hatte man ein Brett über den Bach gelegt (etwa da, wo im Foto der umgestürzte Baum liegt), so dass man den Bach hier bequem überschreiten konnte.

Sonntag, 22. März 2020

Erinnerungen in den Zeiten von Corona (I): Otto, Nove, Dieci


Bei km 1,0
Vom  Zentrum des Dorfes Buchholzen, in dem meine Großmutter wohnte, gab es entlang der Straße nach Bergisch Born alle hundert Meter einen Kilometerstein. Meine Oma wohnte bei Stein Nummer 7, und wenn sie mit uns in Richtung Bergisch Born ging, mussten wir die weiteren Steine auf Italienisch aufsagen.

Der erste Stein hieß Otto, also auf Italienisch acht, was wir als kleine Kinder lustig fanden, aber auch ein wenig irritierend. Uns dämmerte, dass zwischen Wort und Bedeutung etwas Drittes lag, Sprache, und die konnte also verschieden sein. Bis zum Stein "Nove" gingen wir noch gerne mit, aber bei "Dieci", am Straßenrand vor der Gaststätte, die nach einer alten Ortssage "Rattenburg" hieß, wollten wir meist umkehren. Die Oma konnte uns mit der Aussicht weiter locken, bei "Dodici" über die Eisenbahnbrücke gehen zu dürfen und uns in den Dampf einer unter uns her rauschenden Lokomotive einzuhüllen.

Sonntag, 15. März 2020

Kundig, weise, fähig zu unterscheiden



Gott sprach zu Salomo: Weil du weder um langes Leben bittest noch um Reichtum noch um deiner Feinde Tod, sondern um Verstand, auf das Recht zu hören, siehe, so tue ich nach deinen Worten.
( Losung vom heutigen 15. März, aus 1. Könige 3,11-12)

Heute beginnt die Woche, die für viele von uns die vielleicht größten Veränderungen mit sich bringt, die wir in unserem bisherigen Leben mitmachen mussten. Es drohen die größten Gefahren, die unser Volk seit dem überstandenen Weltkrieg durchlebt hat.

Da ist es gut, ein Wort in der Bibel zu finden, das uns das noch einmal vor Augen führt, was in schwierigen Situationen eine der wichtigsten Tugenden ist: Unterscheidungs-vermögen und Weisheit.

Freitag, 7. Februar 2020

Amen

Kirche in Pfrondorf
In der Dorfkirche von Pfrondorf bei Tübingen habe ich Ende der sechziger Jahre häufiger die Predigten des Pfarrers Heinrich Buhr (1912-2001) gehört, der ein Freund meines Tübinger Onkels war. Mein Onkel, obzwar Baptist, nahm mich zu den Pfrondorfer Gottesdiensten öfters einmal mit. Pfarrer Buhr hatte in Freiburg Philosophie studiert und dort bei Heidegger promoviert. Danach war er jedoch zur Theologie gewechselt und war ein Zeit seines Lebens umstrittener.Pfarrer geworden. 

Samstag, 18. Januar 2020

Hölderlin

Franz Karl Hiemer 1792:
Hölderlin
Vielleicht stellt man sich Friedrich Hölderlin am besten als den schönen 22 jährigen Jüngling vor, den das Pastellbild des Malers Hiemer zeigt, und nicht als den geistig verwirrten älteren Menschen, der in der zweiten Hälfte seines Lebens 36 Jahre auf die Betreuung des Schreinermeisters Zimmer im Tübinger Turm angewiesen war.

Schon seine Mutter muss eine sehr schöne Frau gewesen sein, die nach dem frühen Tod von Hölderlins Vater als "die schöne Witwe" bezeichnet wurde. Auch ihr zweiter Mann verstarb nach wenigen Ehejahren. Sie war durch die wirtschaftlichen Erfolge ihrer Ehemänner und durch eigene Erbschaft eine vermögende Frau und konnte über ihr ganzes Leben ihren Sohn finanziell unterstützen. Das war immer dann notwendig, wenn er wieder eine der nur schmal besoldeten Stellen als Hauslehrer oder Bibliothekar verloren hatte, und natürlich besonders, wenn der Ertrag aus seinen Schriften ausblieb - was häufig der Fall war.

Donnerstag, 9. Januar 2020

Hilf meinem Unglauben



Dieses Wort, welches für das Jahr 2020 als biblisches Losungswort der Kirchen* ausgesucht wurde, hat mich angenehm berührt, als ich es vor vielen Jahren zum ersten Mal gehört habe. Ich muss damals schon halbwegs erwachsen gewesen sein, denn solche Worte wurden nach meiner Erinnerung den Kindern in unserer Kirche nicht vorgelesen.

Vermutlich hat man sie ihnen vorenthalten, weil diese Worte viel zu offen über den Unglauben sprechen. Aber gerade das hat mir wiederum dann gefallen.

Der Unglauben wird ansonsten in der Bibel in vielfältiger Weise getadelt. Hier an dieser Stelle wird er aber als eine den Menschen gegebene Denkweise vorausgesetzt – und überwunden (nachzulesen im Markus-Evangelium im 9. Kapitel).