Dienstag, 20. April 2021

Shtisel

Die Netflix-Serie hat manche frommen Christen und frommen Muslime an ihre eigene Jugend erinnert. Der eine oder andere ist mit ähnlich strengen Auflagen, was das äußere Erscheinungsbild betraf, aufgewachsen wie die frommen Orthodoxen der Serie..

"Shtisel" spielt im Milieu der "Haredim", die ihr Leben nach frommen Vorschriften führen und aussehen und auftreten, als wäre Ihnen eine höhere Macht jederzeit präsent. Die Männer sind an ihren Bärten, Schläfenlocken und steifen Hüten zu erkennen. Die Frauen hüllen ihre Körper ganz ähnlich wie die Muslime in weite Gewänder und verstecken ihr natürliches Haar. Während die Muslime hierfür ein Kopftuch benutzen, setzen die Orthodoxen eine Perücke auf oder tragen eine Art von weiter Baskenmütze.

Freitag, 2. April 2021

Nachtgedanken

Bei dem Schriftsteller Walter Kempowski fand ich die witzige Bemerkung, dass er zwar an Gott glaube, „aber nicht den ganzen Tag“. Sein schreibender Kollege John Updike hat die Idee vom sich verändernden Glauben etwas ausführlicher dargelegt. Für ihn ist der Glaube an den Bereich des hellen Tages gebunden, an den Lebensoptimismus und die Freude am Schreiben. Das alles verliert sich im Dunkel der Nacht.

Samstag, 13. März 2021

Jerusalem, April 33


45 Minuten Vorlesen: ein Bericht über die letzten Tage vor der Kreuzigung Jesu. Ich habe ihn vor über 20 Jahren als Buch herausgebracht und lese am Dienstag, 16. März ab 21 Uhr über ZOOM daraus vor. Die Einwahl teile ich per PN mit.



Samstag, 6. März 2021

Einmal durch die ganze Bibel

Als ich noch jünger war, gehörte es in frommen Kreisen fast zur Pflicht, wenigstens einmal im Leben die ganze Bibel von vorne  bis hinten gelesen zu haben. Ich habe mich damals davor gedrückt und habe mich stattdessen an Lesepläne gehalten, die einem die Bibel in Stücken, wenn auch nicht geordnet, näher brachten. Gelesen habe ich sie immer, aber eben nie von vorne bis hinten.

Das habe ich vor etwa einem Jahr geändert und habe das Abenteuer begonnen, fortlaufend jeden Morgen einen Bibelabschnitt zu lesen, meist ein oder zwei Kapitel oder zwei bis drei Seiten. Mittlerweile habe ich das Buch Hiob (vor dem ich mich gefürchtet habe, grundlos, wie ich beim Lesen merkte) beendet und lese die Psalmen. Nachdem ich als erstes das mir im Verständnis leichter erscheinende Neue Testament abgeschlossen hatte, liegen jetzt im wesentlichen nur noch die Sprüche und die Propheten vor mir. Dann bin ich durch.  

Samstag, 9. Januar 2021

… die mir heute zum Geburtstag gratuliert haben


Ein Gedicht über „Das Alter“

 

Hoch mit den Wolken geht der Vögel Reise,

Die Erde schläfert, kaum noch Astern prangen,

Verstummt die Lieder, die so fröhlich klangen,

Und trüber Winter deckt die weiten Kreise.

 

Die Wanduhr tickt, im Zimmer singet leise

Waldvöglein noch, so du im Herbst gefangen.

Ein Bilderbuch scheint alles, was vergangen,

Du blätterst drin, geschützt vor Sturm und Eise.

 

So mild ist oft das Alter mir erschienen:

Wart nur, bald taut es von den Dächern wieder

Und über Nacht hat sich die Luft gewendet.

 

Ans Fenster klopft ein Bot' mit frohen Mienen,

Du trittst erstaunt heraus – und kehrst nicht wieder,

Denn endlich kommt der Lenz, der nimmer endet.

 

„Das Alter“, Joseph von Eichendorff (1788 - 1857)

Donnerstag, 24. Dezember 2020

Doppelter Trost

Das kleine Stück "Tröstliche Kindheit", das der Dichter Reinhold Schneider 1955 in seinem Sammelband "Weihnachtsgabe" aufgeschrieben hat, enthält einen zweifachen Trost.

Es verschweigt nicht das uns umgebende Dunkel. Es steigert es sogar noch, indem es uns "an den entsetzlichsten Schmerzen, den furchtbarsten Bildern vorüber" führen und uns auf einen Weg bringen will. Dieser Weg führt zum Kern der tröstlichen Rede, nämlich zur Erinnerung an unsere Kindheit, dem "Besten und Reinsten aus unserem Leben", zu dem wir zurückgehen dürfen. 

Und dann offenbart es uns als zweites eine verschlungene Wahrheit, die besagt, dass der Trost selbst dann wahr und wirksam ist, wenn der Urgrund des Trostes "in Wahrheit das nicht gewesen" ist, als was er uns heute erscheint.

Das aus der Erinnerung leuchtende Licht ist mehr als die Erinnerung selbst. Es ist "der Strahl aus einer anderen Welt". Wenn wir diesem Licht nachgehen, werden wir sehen, dass "es dieselbe Kraft hat wie einst, wenn es nur in uns zu leben beginnt".


Hier die Worte von Reinhold Schneider:

„Wunderbares Dunkel dieser Tage! Wenn der Nebel die Fenster umdüstert, die Bäume wie Schatten in ihm stehen und die Sonne unsichtbar bleibt und die Vögel draußen sich nur noch ganz leise melden wie aus einem anderen Reich, dann muß es doch gelingen, an den entsetzlichsten Schmerzen, den furchtbarsten Bildern vorüber einen Weg in die Kindheit zu finden. Die Erinnerung soll keine Flucht sein, kein Untergehen in der Trauer um Unwiederbringliches; aber wir bedürfen des Besten und Reinsten aus unserem Leben, wenn wir der Zeit nicht erliegen sollen. Wir müssen in die Tiefe der Vergangenheit hinab, wo wir einmal reines Wasser schöpfen durften; es wird uns wieder erquicken. Wahrscheinlich ist die Zeit der Kindheit in Wahrheit das nicht gewesen, als was sie uns heute erscheint; aber etwas ist unbezweifelbar geblieben als das Licht vom Lichte, der Strahl aus einer anderen Welt: es ist das Licht des Weihnachtstages; könnten wir es wieder empfangen, so würden wir auch erfahren, daß es dieselbe Kraft hat wie einst, wenn es nur in uns zu leben beginnt. Vielleicht ist es das Beste, was uns in Menschen begegnet ist.“

(Reinhold Schneider, 1903 - 1958)

Sonntag, 27. September 2020

Zwölf Regeln

Das Buch des Kanadischen Psychologen Jordan Peterson ist lang, zu lang, 448 Seiten in der gebundenen Ausgabe – genauso lang wie Petersons endlos scheinende Vorträge im Internet. 

Ich bin aber neugierig geworden, nachdem mir mein Freund Jochen Wriske den Artikel einer frommen Zeitung schickte, die begründete, warum Peterson auch für Christen wichtig ist.

Ich habe mir das Buch besorgt, habe es diagonal gelesen und dann die zwölf Regeln ins Deutsche übersetzt. Ich habe außerdem ein paar Sätze aus Petersons langen Erläuterungen hinzugefügt.



Hier also die Kurzform der zwölf Regeln.

1) Stelle dich gerade hin.

Strahle Kompetenz und Sicherheit aus. Du wirst dadurch stärker werden und deine Umwelt wird positiv reagieren.

 2) Behandle dich selbst wie jemand, der deine Hilfe braucht.

Stärke das Individuelle. Passe gut auf dich auf. Verbessere deine Persönlichkeit.

 3) Befreunde dich mit solchen Leuten die das Beste von dir wollen.

Finde Leute, die nach oben zielen – in Bezug auf sich selbst und in Bezug auf dich.

 4) Vergleiche dich nicht mit jemand anderem, sondern vergleiche dich mit dem, der du gestern warst.

Richte deinen Blick auf höhere Ziele. Beobachte Stück für Stück deinen Erfolg.

 5) Lass deine Kinder nichts tun, was sie dir unsympathisch machen könnten.

Erziehe deine Kinder so, dass sie angenehm in deinen Augen sind – und in den Augen anderer Menschen.

 6) Räume dein Zimmer auf.

Bring dein Haus in eine gute Ordnung, bevor du die Welt neu zu ordnen versuchst.

 7) Tue, was sinnvoll ist.

Tue nicht, was nur zweckmäßig ist, arbeite statt dessen für den größeren Zusammenhang. Finde Sinn.

 8) Lüge nicht.

Die Wahrheit verwandelt Chaos in Ordnung. Finde deine eigene Wahrheit und spreche sie aus. „Im Paradies wird die Wahrheit gesprochen, deshalb ist es das Paradies.“

 9) Erwarte, dass andere mehr wissen als du.

Suche nach der Wahrheit wie einer, der mit einem Fuß in einer gesicherten Ordnung steht und mit dem anderen Fuß das Chaos erkundet. Andere Menschen werden dir dabei helfen, wenn du ihnen zuhörst.

 10) Drücke dich präzise aus.

Sage, was du meinst, damit du herausfindest, was du meinst. Tue das, was du sagst und finde heraus, was dann passiert. Achte auf deine Fehler. Sprich sie aus. Finde den Sinn deines Lebens.

 11) Störe Kinder nicht beim Spielen.

Lass besonders die Männer ihre Grenzen testen. Wenn du denkst, harte Männer seien gefährlich, dann warte ab, bis du erlebst, wozu schwache Männer in der Lage sind.

 12) Streichle eine Katze, wenn sich dazu eine Gelegenheit ergibt.

Suche nach kleinen Momenten, in denen sich das Wunder des Lebens zeigt und alles das ausgleicht, was das Leiden, das unvermeidlich ist, mit sich bringt.