Montag, 31. August 2009

Messner Mountain Museum






Gerne nehme ich alles zurück, was ich über den mürrischen Südtiroler Reinhold Messner an Bösem gedacht und geschrieben habe und preise ihn rückhaltlos für sein Mountain Museum in der Nähe von Cortina d’Ampezzo, das wir gestern besuchten. Es ist ganz wunderbar – und bereits sein viertes. Noch wenigstens ein weiteres soll folgen.

Das Museum in Cibiana di Cadore liegt nicht in Südtirol, sondern in den östlichen Dolomiten der Provinz Veneto, das ist da, von wo alle italienischen Eisdielen der Welt ihr Personal haben, wenn sie wirklich gut sein wollen. Das Museum wurde 2002 eröffnet, nachdem eine alte, verfallene Bergfestung aus dem Ersten Weltkrieg hier umfassend umgebaut wurde. Aus dem breiten Tal zwischen Belluno und Cortina d’Ampezzo geht es zunächst mehrere Kilometer hinauf in ein Seitental, in dem sich das Dorf Cibiana befindet, von dort gelangt man über eine Paßstraße auf ein das Tal verschließendes Joch. Von hier geht es dann noch einmal 20 Minuten mit einem Shuttlebus, einem Land Rover, über eine holprige Schotterstraße auf die Spitze des Monte Rite (2.183 m).

Wenige Meter unterhalb des Gipfels duckt sich das alte Fort in den Bergkamm und ist von Messner mit Hilfe der Gemeinde Cibiana und der Provinz Veneto zu einem Museum ausgebaut worden, das sich einerseits wegen der schönen dort ausgestellten Gemälde und Zeichnungen zu besuchen lohnt, andererseits aber auch wegen der Erinnerungsstücke an die bergsteigerische Erschließung der vielen senkrechten Dolomitenwände. Hinzu kommt der grandiose Ausblick, den man durch die Fenster und über die gläsernen Dachausstiege auf eine große Zahl von Dolomitenspitzen hat.

Ein Film im Museum zeigt die grausige Realität der Extremkletterer, die an glatten Felswänden wie an einer Hausfassade hochgehen, in der Diretissima, versteht sich – für mich ein klarer Verstoß gegen das Gebot, das der Mensch den Herrn, seinen Gott nicht versuchen soll. Dieses Gebot kann man allerdings auch im Flachland übertreten, etwa indem man seine Gesundheit allerlei Risiken aussetzt. Dagegen ist das Klettern dann wiederum ein körperlich ertüchtigender Sport – solange man keinen Fehltritt dabei tut.

Lange Zeit haben die Menschen angenommen, daß die Berge von den Göttern bewohnt werden, und Messner ist diesem Gedanken offenbar immer wieder mit dem Ziel nachgegangen, ihnen dort oben tatsächlich zu begegnen. Ich vermute, daß man zumindest eine Art von Bergsubstanz verspürt, wenn man sie nicht nur durchwandert, sondern ein Gefühl für ihr Gestein mit dem Körper in sich aufnimmt, wenn man an der Felsenwand wie ein Insekt klebt.

Was Gott betrifft, so suchen wir Christen ihn ja woanders als auf Bergeshöhen. Allerdings hat er sich auch nach unserem Glauben zumindest einmal einem Bergsteiger geoffenbart, und das war ein bedeutendes Mal, als er auf dem Berge Sinai den Moses zu sich hinauf kommen ließ. Der kam dann allerdings nicht mit unaussprechlichen Grenzerfahrungen zurück, sondern mit einem klaren und logischen Zehn-Punkte-Programm.

Blick vom Museum in das Cadore-Tal in Richtung Cortina d'Ampezzo




Sonntag, 30. August 2009

Mehrsprachigkeit




Die Geschwindigkeit, mit der die Verkäuferinnen an der Fleischtheke im Kastelruther Spar-Markt zwischen Italienisch und Deutsch wechseln, legt ein schönes Zeugnis vom unproblematischen Nebeneinander der beiden Kulturen ab, die Südtirol prägen. Das ging nicht immer so gut wie heute. Die Italiener haben eine Zeit lang systematisch und fast gewaltsam versucht, jedem kleinsten Dorf einen zweiten, italienischen Ortsnamen zu verpassen, und die Südtiroler haben es ihnen durch den beständig geäußerten Wunsch vergolten, statt mit dem italienischen Süden lieber wieder mit dem österreichischen Norden vereint zu werden.

Mittlerweile hat sich die Spannung gelöst, man versteht sich als Europäer und sieht sich als wichtige Brücke zwischen den Kulturen. In Kürze soll eine neue europäische Region konstituiert werden, die aus Tirol, Südtirol und dem Gebiet von Trient besteht. Letzteres gehörte bis 1918 ebenfalls zu Österreich, wurde aber schon damals mehrheitlich von italienisch sprechenden Menschen bevölkert.

Die Berlusconi-Regierung in Rom muß dem noch zustimmen, aber das wird sie wohl tun, weil sich dadurch ohnehin nichts ändert. Auch viele meiner Landsleute im Rheinland sind Mitglied einer holländisch-belgisch-deutschen Region an Maas und Rhein, ohne deshalb weniger Deutsch zu sein als andere. Ich wußte davon bisher noch nichts, erfahre es jetzt aber beim Lesen der Dolomitenzeitung im Café „Exil“ am Kornplatz in Bozen (Foto).

Die Dolomitenzeitung ist sensibel für sprachliche Diskriminierung von Minderheiten. Deshalb unterstützt ein Leitartikel zum bevorstehenden Papstbesuch in Tschechien die Forderung der Sudetendeutschen, der Papst möge dort, in den alten deutschen Kernlanden, doch bitte seine Reden in Deutsch halten und nicht wie geplant in Englisch oder Italienisch.

Aus diesem Leitartikel spricht sicherlich nicht der gute Geist, der hier die Brücke zwischen den Kulturen baeuen hilft. Allerdings lebt aber auch der Verfasser unter dem komfortablen Schirm, den Europa selbst über solche Minderheiten spannt, die immer gerade so tun, als komme es ganz alleine nur auf sie an. In Europa darf jeder seinen Nationalismus und Regionalismus pflegen, so lange er das Ganze nicht in Frage stellt. Selbst die Basken, Bretonen und Iren mit ihrem großen Selbständigkeitsdrang ordnen sich diesem System am Ende mehrheitlich unter. Welche Wahl haben sie auch? Einen eigenen Staat zu gründen und dann für ihre Autobahnen selbst aufkommen zu müssen?

In einer eng vernetzten Welt wird echte regionale Autonomie schnell zu einem Nachteil. Und weil die nach Autonomie strebenden Volksstämme das wissen, kann man sie unbesorgt reden lassen – wie jetzt sogar die Kurden in der in die EU strebenden Türkei, die seit ein paar Wochen erstmals einen eigenen Fernsehsender haben. Als autonome Kurden kämen sie nie in die EU, das wissen sie, also kämpfen sie nur noch mit bestenfalls halber Kraft für ein paar ethnische Privilegien, die ihnen die Türkei im Gegenzug auch gerne gewährt.

Zu fragen ist, ob die Rahmenbedingungen für solche Freizügigkeiten ewig gültig bleiben. In der Finanzkrise der letzten Monate hat es sich für einige Staaten als nachteilig erwiesen, zu einer größeren, europäischen Einheit zu gehören, einem Universal Homogenous State wie ihn Francis Fukuyama in seinem End Of History von 1989 klassisch beschrieben hat. So wären die Griechen vermutlich besser mit ihrem alten Nationalsystem von Inflation und müdem Staat gefahren, da konnte sich jeder selbst retten. Jetzt muß man mitten im Niedergang auch noch europäische Kontrollen über sich ergehen lassen, damit kann man nicht so recht umgehen.

Wenn das Unwohlsein mit den Wohltaten eines Großstaates weiter wächst, wenn die Vorteile dieses Staates am Ende sogar entfallen, dann geht das alte Jeder-gegen-Jeden der Kleinstaaten wieder los. Genießen wir also die gegenwärtige Universal-Zeit, in welcher sich an der Fleischtheke in Kastelruth Italien und Deutschland friedlich miteinander vereinen


Samstag, 29. August 2009

Luis Trenker, Reinhold Messner, Toni Sailer






Richtig geraten – von den drei genannten gehört der dritte nicht dazu. Er ist nicht von hier aus unserer Urlaubsgegend, nur die beiden ersten sind Südtiroler. Der am vergangenen Montag verstorbene Sailer kam dagegen aus Kitzbühl im österreichischen Tirol, also aus „Nord“-Tirol. Allerdings wurde auch Trenker als Österreicher geboren, denn 1892 gehörte Südtirol noch zur Wiener Monarchie.

Erst nach dem Ersten Weltkrieg fiel Südtirol an Italien und machte unter Hitler und Mussolini eine herzzerreißende Phase durch, nachdem die beiden Faschisten beschlossen hatten, die Italianisierung des Landes durch eine große Umsiedlungsaktion zu vollenden. Die deutschsprachigen Menschen im gesamten italienischen Alpengebiet sollten „Heim ins Reich“ geholt, also nach Deutschland umziehen. Eine große Mehrheit entschloß sich, dem Ruf zu folgen, das waren die „Optanten“, von denen dann aber nur 75.000 tatsächlich fortzogen, um nach 1945 mehrheitlich wieder in die alte Heimat zurückzukehren.

Luis Trenker hat erst nach langem Zögern für das Deutsche Reich optiert. Er verlor dadurch die Zuneigung der Nazis, die ihn anfangs glühend verehrten. Goebbels schrieb 1940: Ich trage dem Führer den Fall Trenker vor. Dieses Schweinestück hat in Südtirol nicht für uns optiert. Hinhalten, freundlich sein, aber abservieren.

Die Tiroler sind lustig, wie man weiß, sie wurden früher auf Jahrmärkten herumgeführt und dem Publikum als Beispiel urwüchsiger Lebenskraft vorgezeigt. Lebenskräftig aber nicht lustig ist der 1944 in Brixen geborene Reinhold Messner. Wie verkrampft und verbissen er wirken kann, hatte ich schon vor Jahren im Fernsehen gesehen, wo er sich bei „Ich stelle mich“ durch einen jungen Freeclimber zu vollkommen unnötigen und im Ton überzogenen Verteidigungsreden hinreißen ließ. Irgendwie denkt man bei ihm, er könne sich doch jederzeit zurücklehnen, seinen kompletten 14er Satz an Achttausendern vorweisen und die anderen in Ruhe reden lassen.

Aber er kann es nicht. Er muß auch im Kleinen immer wieder beweisen, daß er besser ist, klüger, weitsichtiger und vor allem das, worin ihm keiner was vormacht: unangepaßter. Und so lamentiert er in seinem Buch Gebrauchsanweisung für Südtirol über die hier geltende Reglementierung der Rinderschlachtung, die Vorherrschaft eines bestimmten Verlages in Bozen, die Herrschaft der Südtiroler Volkspartei und vieles mehr. Die Touristen kommen ebenfalls schlecht weg, sie stehen allezeit im Stau, wollen es sogar, weil sie nur dort zu einer fragwürdigen und brüchigen Ruhe kommen. Sind sie mal auf dem Berg, wollen sie sogleich wieder nach unten, um dort gut und viel zu essen.

Er selbst empfindet Südtirol als den schönsten Teil der Welt, zieht die Aussage aber sogleich wieder selbst in Zweifel, indem er sagt, er habe das Heimweh in Tibet, der Antarktis und Patagonien zwar immer stark verspürt, sei aber beim Nachhausekommen in seinen Erwartungen oft enttäuscht worden. So wie das Rinderschlachten hier reglementiert wird, ist das natürlich kein Wunder.

Nein, ich fürchte für ihn, daß seine wieder und wieder beschworenen Grenzerfahrungen auch in der äußersten Einöde ihn immer nur zu dem Punkt geführt haben, wo sein kleines wütendes Ich vor ihm stand und wie der Igel zum Hasen im Märchen sagte: „Ick bünn all hier.“









Freitag, 28. August 2009

Italiener sein




Italiener sein, verflucht –
ich hab es oft und oft versucht,
es geht nicht.

Dieser Gedichtanfang von Robert Gernhardt geht mir oft durch den Kopf, wenn uns auf den Wanderwegen Menschen entgegenkommen, die mit Buon Giorno grüßen und nicht mit Grüß Gott oder Tach. Sie bilden die Mehrzahl der Touristen hier oben, man sieht es auch an den Ferrari-Kappen der Kinder oder den Nummernschildern der Autos auf den Parkplätzen. Ihre Schulferien laufen bei ihnen erst seit dem 15. August, und so beginnt in diesen Tagen hier eine Art italienischer Saison.


Allerdings – daß man in ihrer Mitte ebenfalls Italiener sein möchte, das kann ich vorerst einmal nicht feststellen. Es ist vermutlich ein Wunsch, den Robert Gernhardt angesichts eines Weingutbesitzers in der Toscana übermannt hat, oder der ihm beim Anblick einer eleganten Römerin vor einem Modeladen der Piazza Navona gekommen ist. Meine Italiener hier passen mit ihren Kniebundhosen und Bergstiefeln kaum zu dem für uns unerreichbaren Ideal, das wir als Deutsche von den Bewohnern des Landes haben, wo die Zitronen blühen.

Viele sind übergewichtig wie wir – der Anteil nimmt zu, wenn man sich in den Bergen der Bergstation einer Seilbahn nähert und auf die Touristen trifft, die sich nur wenige Meter von dort weg bewegen. Im Gelände dann sieht man vereinzelt schöne Römerköpfe mit Schnurrbärten und welligem Haar. Von weitem hört man ihr tief in der Kehle gesprochenes A wie in alto und das zu Ä gedehnte E wie in Belvedere.


Ihre zusätzlichen Pfunde sind besser als bei uns verteilt, oder sagen wir: zu soliderem Bauchfleisch herangewachsen, gerade so, als ob die viele Pasta elastischere Speckringe herausbildet als unsere Kartoffeln. „Al dente“ die einen, sackförmig die anderen.

Die Einheimischen sind natürlich ebenfalls keine typischen Italiener, sie wollen es ja auch nicht sein. Daß sie allerdings so auf ihrer deutschen Sprache beharren, wie es uns daheim der Sizilianer aus der Hückeswagener Pizzeria erzählte, kann ich nicht feststellen. Er fährt seit 15 Jahren regelmäßig nach Meran, immer in dasselbe Haus. Seine Vermieterin habe in der ganzen Zeit nie ein einziges italienisches Wort mit ihm gesprochen.

Nein, die Verkäuferinnen an der Wursttheke im Coop wechseln jederzeit blitzschnell in die Sprache, mit denen der Kunde sie anspricht.

Bei mir sagen sie meist schon „Grüß Gott“, ohne daß ich etwas gesagt habe. Ich mache da wohl etwas falsch. Italiener sein? Es geht nicht.






Donnerstag, 27. August 2009

Seiser Alm (II)






Im Nordwesten der Seiser Alm bildet die Alpe Buflatsch eine etwa 2 km mal 2 km große Hochfläche, die nach drei Seiten hin steil ins Tal abfällt und nur nach Süden mit den anderen Flächen der Seiser Alm verbunden ist. Man kann einen Rundweg am Rand dieser Alpe entlang nehmen und hat die dramatisch schönen Gipfel des Grödner Tals beständig vor Augen.






Mein Vater kutschierte uns durch die Alpen und legte, ohne es zu wollen, die Liebe zu ihnen in unsere Herzen. Er selbst zog es vor, dort immer nur kurze Rast zu machen und uns statt dessen an glühendheißen Adriastränden auszuladen.

Damals, Anfang der 60er Jahre, war der Streifen an der nördlichen Adria ein touristisch noch nicht erschlossenes Land voller Sandwüsten mit einigen kleinen Pinien, deren Schatten sich drei Wohnwagen pro Baum teilen mußten, samt Vorzelt. Ähnliche Orte sah ich später in Filmen, welche die Fremdenlegion zum Thema hatten.

Ich wäre mit meiner sonnenempfindlichen Haut lieber an einem der kühlen Bergseen geblieben, im Schatten hoher Kastanien, aber wir mußten weiter, weiter…

Das Grödner Tal erinnert mich immer besonders an meiner Vater: Er wußte vermutlich nicht, wo es lag, aber jemand hatte ihm ein italienisches Lied von diesem Tal beigebracht, das er hinter dem Brenner zu singen begann (er konnte etwas Italienisch).

La postina della Val Gardena
bacia solo con la luna piena,
uno a te, uno a me,
dunque, dunque, dunque, tralalalala.

Im Internet heißt die letzte Zeile yuke-lì, yuke-lì oilè!, aber die Version meines Vaters gefällt mir besser. Im Internet gibt es auch eine schöne Bigband-Version.




Wir stiegen vom Hochplateau des Buflatsch einen steilen Tobel hinab, das war weniger dramatisch als es auf der Karte aussah, aber die 500 Höhenmeter bergab drückten sehr auf die Fußspitzen. Auch trieb die Hitze den Schweiß.

Im Sessellift, letztes Teilstück hinunter ins Dorf, dann die Abendsonne und ein frischer Bergwind. In welchem Lied war noch mal dieser Bergwind? Nicht zu klären – aber an der Reihe wäre jetzt wohl sowas wie:

Im Alpenglühen heimwärts wir ziehen,
Berge, sie leuchten so rot.
Wir kommen wieder, denn wir sind Brüder,
Brüder auf Leben und Tod.



Mittwoch, 26. August 2009

Seiser Alm




Beim Rundflug über die Alpen wird einem vermutlich das Gebiet der Seiser Alm als Bauplatz für einen gigantischen Berg auffallen, den der Schöpfer wieder entfernte, nachdem er ihm möglicherweise zu groß geraten war. In der endlosen Aneinanderreihung von Zähnen, Spitzen und Nadeln, die das Alpenmassiv ausmacht, fehlt an dieser Stelle die Fortführung nach oben - gerade als habe ein titanischer Zahnarzt einen Stumpf abgeschliffen, der später einmal mit einer Krone versehen werden soll.


Der Stumpf jedenfalls ist gewaltig und die seitlichen Wände sind steil und bewaldet wie die unteren Wände der benachbarten Berge auch. Wir wanderten heute durch diese Waldseite unterhalb der Almhochfläche, mit Startpunkt an der Marinzenhütte (1.486 m). Ohne viel Höhe zu gewinnen, gelangten wir auf schmalen Saumpfaden zur Serpentinenstraße, die sich von Seis zur Seiser Alm hochschlängelt und von dort über einen steilen, die Straße häufig kreuzenden Weg hinauf nach Frommer (1.712 m). Hier flacht der Weg ab und tritt in ein hügliges grünes Weideland ein, dessen an das Allgäu erinnernden runden Buckel teilweise bis über 2.000 m Höhe erreichen.



Von Süden blickt das langgestreckte Massiv des Schlern mit seinen Nadelspitzen an der Westseite, an der Kante meist etwa 2.500 m hoch, auf die Alm herunter. Sie ist mit rund 70 Quadratkilometern die größte Europas. Im Osten zeigen sich der Langkofel (3.181 m) und der etwa gleich hohe Plattkofel, zwei typische Dolomitenberge mit ihren kristallinen Spitzen.

Lange hatte ich zuvor gerätselt, wie diese auch als Skigebiet berühmte und vielbesuchte Hochfläche wohl aussehen mag. Nun weiß ich es. Ein angenehmes Land, das uns heute mit viel Sonne und einem frischem Bergwind empfing.



Dienstag, 25. August 2009

Good morning, Günaydin, Guten Morgen




Die A 8 verläuft hinter Nürnberg schnurgerade dreispurig nach Süden. Rechts von uns gleitet die silberne Schlange eines ICE auf den parallel laufenden Gleisen in Richtung München. Bayern 1 spielt Arlo Guthrie:

Good morning, America, how are you.
Say, don’t you know me, I’m your native son,
I’m a train they call “The City Of New Orleans”
And I’ll be gone five hundred miles when the day is done.


Vom Parkplatz der Raststätte grüßt das Günaydin auf einem türkischen Lastwagen. Die Sonne leuchtet. In zwei Stunden werden wir die Alpen vor uns sehen. Am Abend werden wir – ebenfalls 500 Meilen von zu Hause – unseren Urlaub in Südtirol beginnen. #LustAmLeben

Zwei Stunden später:




Sonntag, 16. August 2009

Paulus






Mein paralleler Blog zum zweiten Brief des Paulus an die Korinther entwickelt sich so, daß ich mittlerweile glaube, ihn bald abschließen zu können, Ich werbe hier noch einmal für die nicht ganz unkomplizierten Wege der Auslegung dieses schwer zu übersetzenden Briefes, von denen ich zu berichten versuche, mit dem Buch von Norbert Baumert als Wegbeschreibung in der Hand. Mir geht es so, daß ich manchmal parallel zu Baumert die vertrauten Übersetzungen von Luther und Elberfeld lese und mich angesichts der rätselhaften Texte verwundert frage, ob ich bestimmte Abschnitte dieses Briefes je wirklich gelesen, geschweige denn verstanden habe.

Bei Baumert wird vieles einfacher, weil er einfache Grundannahmen trifft und außerdem um eine persönliche, schlichte Leitung durch den Geist Gottes bemüht ist. Er hat sogar eine plausible Theorie für die rätselhafte Krankheit oder Anfechtung, durch die Paulus den berühmten Pfahl im Fleisch (2. Korinther 12,7) erhält.

Davon im nächsten Post mehr, im heutigen Post ging es um eine Art Kollektenpredigt (Kapitel 8 und 9), die aber über den nüchternen Anlaß weit hinaus geht.

Das obige Bild des Paulus ist von El Greco.



Donnerstag, 13. August 2009

Sperrmüll




Heute sah ich aus dem Küchenfenster, wie ein orangeroter Wagen der Remscheider Müllabfuhr unser altes Wohnzimmer zermalmte. Wir hatten gestern abend zwei abgewetzte Sofas, den eisernen Tisch mit der angebrochenen schweren Glasplatte und einige andere Gegenstände an die Straße gestellt, von wo sie am Morgen abgeholt und noch an Ort und Stelle durch eine mobile Presse vernichtet wurden.

Ich habe mich schnell abgewendet, weil ich den Blick nicht ertragen wollte. Zusammen mit den alten Stücken schienen mit eiserner Faust auch die daran hängenden Erinnerungen von der hydraulischen Maschinerie zerstört zu werden.

Der eiserne Tisch mit seiner Glasplatte war aufgrund seines Gewichtes immer nur mit Mühe zu verrücken gewesen, wenn die Sitzgelegenheiten im Wohnzimmer einmal umgruppiert werden sollten. Ich sah ihn wie ein federleichtes Spielzeug im Müllwagen verschwinden und sah als letztes Bild noch die Weihnachtsgeschenke vieler glücklicher Jahre auf diesem Tisch liegen, von hellen Kinderaugen bestaunt. Im Trichter der Presse wirkte er seltsam zart, Sekunden bevor das Mahlwerk seiner habhaft wurde und ihn zerstückelt und platt gedrückt in das Innere des Wagens zog.

Ob meine Erinnerungen tatsächlich mit dem Tisch im Müllwagen vernichtet worden sind? Ich habe nach einem Moment der Sentimentalität da doch einige Zweifel. In einer Kurzgeschichte von John Updike kehrt ein Familienvater kurz nach dem Auszug aus seinem alten Haus noch einmal zurück, um ein paar letzte Gegenstände abzuholen. Er wundert sich darüber, wie wenig das leere Haus noch von den Geschichten wiederspiegelt, die sich hier zugetragen haben. Das Haus hatte uns innerhalb eines Tages vergessen.*

Ich finde diese Beobachtung tröstlich. Sie gehört zu einem anderen Gedanken, den John Updike mit weiser, kritischer Distanz aufgeschrieben hat, über die Erinnernung. Was die besondere Nähe betrifft, die wir zu unseren Familienangehörigen haben, sagt er: Niemand gehört zu uns, außer in der Erinnerung.**

Mein schwerer Eisentisch bleibt also in meinem Besitz, solange ich mich an ihn erinnern kann. Und die Gedanken an glückliche Stunden mit weihnachtlich beschenkten Kindern genauso.

* The house forgot us in a day. Aus: The Maples Stories, Plumbing.
* Nobody belongs to us, except in memory. Aus: The Maples Stories, Grandparenting.



Dienstag, 11. August 2009

Das Gesicht des Herrn van Rijn





Während eines Besuches bei Tochter Christina, die in Amsterdam studiert, haben meine Frau und ich die Ausstellung The Complete Rembrandt angesehen. Der Titel klingt großspurig, aber im Großen Saal der Alten Börse (Beurs van Berlage) sind tatsächlich alle bekannten Bilder Rembrandts einschließlich seiner Kupferstiche versammelt, als Fotografien. Der Nachteil, daß hier nur Reproduktionen ausgestellt sind, wird durch den Vorteil reichlich aufgewogen, die Bilder einmal sozusagen in der Familie aller ihrer Geschwister sehen zu können. Außerdem darf man hier ungehindert in die Nähe der Gemälde gehen und an einigen Stellen sogar mit eigens dafür ausgehängten Lupen feinste Details der Bilder studieren.

Die Tafeln zu Bildern und Themenschwerpunkten, in Niederländisch und Englisch, sind von Fachleuten geschrieben worden. Hinter der Ausstellung steht das renommierte Rembrandt Research Project und sein Leiter van de Wetering. Der ist in Berlin eine nicht besonders beliebte Person, seitdem er vor ein paar Jahren das dortige Glanzstück, den Mann mit dem Goldhelm als nicht von Rembrandt stammend abgewertet hatte. Auf einer großen Videoleinwand wird ein Film gezeigt, in dem van de Wetering die Entstehung und wechselvolle Geschichte der Nachtwache erzählt.

Was von den insgesamt 317 Bildern vielleicht am nachdrücklichsten in Erinnerung bleibt, sind die vielen Selbstporträts, die Rembrandt van Rijn, geboren 1606 in Leiden, gestorben 1669 in Amsterdam, in früher Jugend begonnen und bis kurz vor seinem Tod auf immer neue Weise fortgeführt hat. Die erklärenden Tafeln diskutieren die alte Auffassung, Rembrandt habe sich auf einer permanenten "Selbstsuche" befunden, geben aber einige andere Erklärungen für seinen häufigen Blick in den Spiegel.

Man vermutet nämlich, daß Rembrandt anfangs an sich selbst die Feinheiten der Wiedergabe von Haut, Haaren, Augen etc. studiert hat, schließlich wollte er recht bald Geld mit dem Anfertigen von Porträts verdienen. Später hat er möglicherweise für eine Kundschaft gemalt, die ihn als Genie verehrte und nach einem Besuch bei ihm ein Porträt des verehrten Meisters mit nach Hause nehmen wollte.

Dabei zeigt sein Gesicht keinerlei Spuren einer übersteigerten Genialität. Man wird mit diesem eher unauffälligen Gesicht nach und nach vertraut, wenn man an den Stellwänden im großen Saal der Börse entlanggeht, und würde den Herrn van Rijn vielleicht auf der Straße erkennen, wenn er noch einmal durch Amsterdam ginge. Am Ende kommen einem sogar die etwas aufgedunsenen Züge des alten Mannes eigenartig vertraut vor.

Sein Gesicht hat weder die tragische Tiefe eines Beethoven noch die durchgeistigten Züge eines Goethe, nicht einmal die wachen Augen eines Picasso. Es ist ein eher alltäglicher Kopf mit einer meist stumpfen hellen Haarfarbe, weichen Barthaaren und einem Hang zu rotgeränderten Augen.

Er muß seine ersten Lehrer und dann seine Auftraggeber durch sein großes Talent überzeugt haben, das sich schon früh in seinem immensen handwerklichen Können niederschlug. Einer der Lehrer war ein Spezialist für die Bilder von Himmel und Hölle, das könnte schon recht früh eine Begabung in ihm gefordert haben, die ihn am Ende fast unvergleichbar auszeichnete: die Fähigkeit, Licht und Dunkel zu malen.

Nach meinem Eindruck hat er es weit besser als andere verstanden, den Wegen des Lichtes nachzugehen, hat von einer einzigen, im Bild nicht sichtbaren Kerze große Räume ausgeleuchtet und gestaltet. Viele Bilder sind auf einen zuvor dunkelbraun vorbereiteten Hintergrund aufgemalt, so daß am Ende sich nur das dem Blick öffnet, was von einer Lichtquelle eindeutig erfaßt wird. Oft verzichtet Rembrandt zudem völlig auf starke Farben, nur um dadurch die Wirkung des Lichtes wie auf einem weichen Tuch in den kleinsten Nuancen zu erfassen.

Sein letztes Bild zeigt den alten Simeon im Tempel von Jerusalem, wie er das Jesuskind in den Armen hält. Das Bild ist im Laufe seiner Geschichte übel behandelt worden, teilweise wohl von Wasser zerstört. Dadurch ist die Wirkung der eher undeutlichen Technik, mit der Rembrandt am Ende seines Lebens gemalt hat, noch gesteigert.

Es ist ein armer Mensch zu sehen, der die allermeiste Zeit seines Lebens vergeblich auf die Erfüllung seiner Hoffnung gewartet hat. Aber nun ist sie da, und das Licht ist da, nicht mehr so prachtvoll wie auf den feinen Kleidern der reichen Leute, die Rembrandt früher porträtiert hat, aber fast noch schöner, inniger.

So ist es am Ende Gottes Licht, das über den Bildern Rembrandts aufleuchtet, und schafft ein Licht für die Ewigkeit.







Montag, 3. August 2009

Ein Gruß nach Ostfildern




Dort in der Gegend südlich von Stuttgart hat sich heute um 21:42 Uhr mein 5.000 Besucher bei mir eingeloggt. Willkommen, werter Gast!

P.S. Unter den christlichen Verlegern gab es immer die Hoffnung, daß ein frommes Buch "im Postleitzahlbereich 7" besonders gut verkauft wurde. Das waren die schwäbischen Pietisten im Raum Stuttgart. Ob das dortige Lesepublikum am Ende auch für meinen Blog förderlich ist?



Samstag, 1. August 2009

5000 Leser und ein neues Projekt




In den nächsten Tagen erwarte ich den 5000. Leser. Das ist keine besonders große Zahl für einen Blog, der seit etwa 20 Monaten besteht (der Beginn war im Dezember 2007), aber es ist doch eine recht stattliche Marke, die in der letzten Zeit auch schneller gewachsen ist als zu Beginn. Ich bin so eitel und lese jede Woche eine eMail von sitemeter, in welcher die aktuellen Zahlen säuberlich aufgeführt sind.

Außerdem ist zu vermelden, daß ein neues Buch es mir angetan hat und ich für dieses Buch einen neuen, gesonderten Blog begonenn habe. Ähnlich wie früher schon einmal der Blog zu Jesaja, zum Jesus-Buch des Papstes und zum Koran (siehe "Andere Blogs" am linken Bildrand) geht es auch diesmal um etwas Frommes, um ein großes, altes Dokument des Glaubens, den zweiten Korintherbrief.

Hier erscheint er in der neuen Lesart des Theologen Norbert Baumert. Sein Buch Mit dem Rücken zur Wand ist vor kurzem herausgekommen, ich lese die minutiöses Auslegung des Paulusbriefes darin, schreibe etwas dazu und hoffe, daß es verständlich ist und meinen Lesern weiterhilft.