Italiener sein, verflucht –
ich hab es oft und oft versucht,
es geht nicht.
Dieser Gedichtanfang von Robert Gernhardt geht mir oft durch den Kopf, wenn uns auf den Wanderwegen Menschen entgegenkommen, die mit Buon Giorno grüßen und nicht mit Grüß Gott oder Tach. Sie bilden die Mehrzahl der Touristen hier oben, man sieht es auch an den Ferrari-Kappen der Kinder oder den Nummernschildern der Autos auf den Parkplätzen. Ihre Schulferien laufen bei ihnen erst seit dem 15. August, und so beginnt in diesen Tagen hier eine Art italienischer Saison.
Allerdings – daß man in ihrer Mitte ebenfalls Italiener sein möchte, das kann ich vorerst einmal nicht feststellen. Es ist vermutlich ein Wunsch, den Robert Gernhardt angesichts eines Weingutbesitzers in der Toscana übermannt hat, oder der ihm beim Anblick einer eleganten Römerin vor einem Modeladen der Piazza Navona gekommen ist. Meine Italiener hier passen mit ihren Kniebundhosen und Bergstiefeln kaum zu dem für uns unerreichbaren Ideal, das wir als Deutsche von den Bewohnern des Landes haben, wo die Zitronen blühen.
Viele sind übergewichtig wie wir – der Anteil nimmt zu, wenn man sich in den Bergen der Bergstation einer Seilbahn nähert und auf die Touristen trifft, die sich nur wenige Meter von dort weg bewegen. Im Gelände dann sieht man vereinzelt schöne Römerköpfe mit Schnurrbärten und welligem Haar. Von weitem hört man ihr tief in der Kehle gesprochenes A wie in alto und das zu Ä gedehnte E wie in Belvedere.
Ihre zusätzlichen Pfunde sind besser als bei uns verteilt, oder sagen wir: zu soliderem Bauchfleisch herangewachsen, gerade so, als ob die viele Pasta elastischere Speckringe herausbildet als unsere Kartoffeln. „Al dente“ die einen, sackförmig die anderen.
Die Einheimischen sind natürlich ebenfalls keine typischen Italiener, sie wollen es ja auch nicht sein. Daß sie allerdings so auf ihrer deutschen Sprache beharren, wie es uns daheim der Sizilianer aus der Hückeswagener Pizzeria erzählte, kann ich nicht feststellen. Er fährt seit 15 Jahren regelmäßig nach Meran, immer in dasselbe Haus. Seine Vermieterin habe in der ganzen Zeit nie ein einziges italienisches Wort mit ihm gesprochen.
Nein, die Verkäuferinnen an der Wursttheke im Coop wechseln jederzeit blitzschnell in die Sprache, mit denen der Kunde sie anspricht.
Bei mir sagen sie meist schon „Grüß Gott“, ohne daß ich etwas gesagt habe. Ich mache da wohl etwas falsch. Italiener sein? Es geht nicht.
1 Kommentar:
Hallo Papa,
lese deine Geschicheten voller Spannung. Du trägst viele schöne Erinnerungen in dir und rüttelst sie durch dein Schreiben auch in mir wach. Opa, Alpen, Wohnzimmertisch....Danke:-)... und bitte mehr davon! Eva
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