Donnerstag, 13. August 2009

Sperrmüll




Heute sah ich aus dem Küchenfenster, wie ein orangeroter Wagen der Remscheider Müllabfuhr unser altes Wohnzimmer zermalmte. Wir hatten gestern abend zwei abgewetzte Sofas, den eisernen Tisch mit der angebrochenen schweren Glasplatte und einige andere Gegenstände an die Straße gestellt, von wo sie am Morgen abgeholt und noch an Ort und Stelle durch eine mobile Presse vernichtet wurden.

Ich habe mich schnell abgewendet, weil ich den Blick nicht ertragen wollte. Zusammen mit den alten Stücken schienen mit eiserner Faust auch die daran hängenden Erinnerungen von der hydraulischen Maschinerie zerstört zu werden.

Der eiserne Tisch mit seiner Glasplatte war aufgrund seines Gewichtes immer nur mit Mühe zu verrücken gewesen, wenn die Sitzgelegenheiten im Wohnzimmer einmal umgruppiert werden sollten. Ich sah ihn wie ein federleichtes Spielzeug im Müllwagen verschwinden und sah als letztes Bild noch die Weihnachtsgeschenke vieler glücklicher Jahre auf diesem Tisch liegen, von hellen Kinderaugen bestaunt. Im Trichter der Presse wirkte er seltsam zart, Sekunden bevor das Mahlwerk seiner habhaft wurde und ihn zerstückelt und platt gedrückt in das Innere des Wagens zog.

Ob meine Erinnerungen tatsächlich mit dem Tisch im Müllwagen vernichtet worden sind? Ich habe nach einem Moment der Sentimentalität da doch einige Zweifel. In einer Kurzgeschichte von John Updike kehrt ein Familienvater kurz nach dem Auszug aus seinem alten Haus noch einmal zurück, um ein paar letzte Gegenstände abzuholen. Er wundert sich darüber, wie wenig das leere Haus noch von den Geschichten wiederspiegelt, die sich hier zugetragen haben. Das Haus hatte uns innerhalb eines Tages vergessen.*

Ich finde diese Beobachtung tröstlich. Sie gehört zu einem anderen Gedanken, den John Updike mit weiser, kritischer Distanz aufgeschrieben hat, über die Erinnernung. Was die besondere Nähe betrifft, die wir zu unseren Familienangehörigen haben, sagt er: Niemand gehört zu uns, außer in der Erinnerung.**

Mein schwerer Eisentisch bleibt also in meinem Besitz, solange ich mich an ihn erinnern kann. Und die Gedanken an glückliche Stunden mit weihnachtlich beschenkten Kindern genauso.

* The house forgot us in a day. Aus: The Maples Stories, Plumbing.
* Nobody belongs to us, except in memory. Aus: The Maples Stories, Grandparenting.



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