Unserem Urlaub fehlte bislang der Sprung über die Baumgrenze ins Hochgebirge. Heute ist er gelungen, nachdem wir gestern die Seiser Alm noch einmal entlang der Nordflanke des langen Schlernmassives gewandert sind und bang zu den steilen Wänden und gezackten Wegen hochgeschaut haben. Ob man da je hochgelangen würde? Und wenn Ja: wie?
Von einer Gruppe, die vom Schlern (höchster Punkt 2.563 m) herab kam, erhielten wir schließlich den heute in die Tat umgesetzten Tip. Wir sollten, sagte man uns, nicht über den westlichen Touristensteig auf das Hochplateau wandern, weil der im Tal bei 1.800 m beginnt, sondern den Weg hinauf zu den „Roßzähnen“ am östlichen Ende des Massivs nehmen (auf dem Foto ist der Weg etwas links von der Mitte als helle Fläche zwischen den Felsen zu sehen).
Diesen östlichen Weg beginnt man auf einem Hochplateau bei etwa 2.000 m und geht zunächst relativ flach, bis man zum eigentlichen Anstieg kommt, einem steilen Serpentinenweg durch ein Geröllfeld, das bei etwa 2.150 m beginnt. Bis zur Roßzahn-Scharte auf 2.499 m sind es dann nur noch rund 350 m. Von weitem sah dieser Anstieg gestern grusig aus, aber heute erwies er sich als ungefährlich, gut begehbar, wenn auch schweißtreibend. Die Spaghetti mit Pesto auf der Tierser Alpl Hütte (2.440 m, unweit der Scharte) brachten die verbrauchten Kräfte bald wieder zurück.
Auf dem schmalen Grat bei den Roßzähnen plötzlich Gedränge und zu unserer Überraschung heimatliche Töne. Eine Gruppe Wanderer unterhielt sich angeregt, und so, wie einer der Männer den anderen "Klaus" rief (Klou-es), sagt man es eigentlich nur bei uns im Bergischen Land. Wie weit von Remscheid entfernt sie denn wohnen, frage ich den Mann. "Wir s i n d von Remscheid!" - eine Gruppe mit fünf oder sechs Ehepaaren des Remscheider Schwimm(!)vereins. Eine Frau erkannte Christiane sogleich, sie waren vor Jahren zusammen turnen, "Sie sind doch Frau Runkel!" Man kann seiner Heimat nicht entfliehen.
Auf dem Weg hinunter, für den wir die Schotterstraße nehmen, über welche die unterhalb der Roßzähne gelegene Tierser Alp erschlossen wird, ergibt sich mit den Remscheidern das eine oder andere Gespräch, so auch über die Anfänge des Remscheider Schwimmvereins. In den 20er Jahren gab es einen Arbeiter-Sportverein, der in Eigenhilfe ein einfaches, aber schön gelegenes Freibad errichtet hat, in dem ich als Kind oft gewesen bin. Es wurde leider stillgelegt und abgerissen, aber der Schwimmverein führt seine Wurzeln auf diesen Arbeiter-Sportverein zurück.
Mein Vater erzählte mir, es seien „Kommunisten“ gewesen, denen mein Bauunternehmer-Urgroßvater aber trotz ideologischer Differenzen gerne Schubkarren und ähnliches Werkzeug zum Bau des Strandbades geliehen hat. Das seien „vernünftige Leute“, die was gegen die Arbeitslosigkeit täten, sagte der fromme Opa. Die Nachfolger in den Bergen sind Meilen von den Gedanken der Vorgänger entfernt, aber die Vernunft des gemeinsamen Tuns ist geblieben.
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