Manche Unglücksfälle kommen einem besonders nah, weil sie sich in der unmittelbaren Nachbarschaft zutragen. So war es mit dem Busunglück am 22. September in Radevormwald, über das landesweit berichtet wurde und bei dem fünf Menschen ums Leben kamen. Das Unglück ereignete sich im Ortsteil Dahlerau, im Tal der Wupper, die etwas weiter südlich die Stadtgrenze zwischen Radevormwald und meiner Heimatstadt Remscheid bildet. Ich mußte also nicht weit fahren, um mir ein Bild von der Unglücksstelle zu machen.
Das Zentrum von Dahlerau mit seiner Kirche liegt auf einem felsigen Sporn oberhalb der Wupper, der Fluß bildet um diesen Vorsprung herum eine große Schleife, an deren Rand unten am Fluß eine alte Industrieanlage und einige Wohnhäuser liegen, die den Ortseil Vogelsmühle bilden.
Der Bus der Linie 626 Wuppertal – Radevormwald fährt an Wochentagen stündlich durch Dahlerau, auch durch den oberen Teil, wofür er einen Umweg macht. Er hält am Ende des Umweges an der Haltestelle „Vogelsmühle“ (Foto) und dann etwa 400 m weiter an der Haltestelle „Wuppermarkt“, bevor er schließlich den Berg hinauf nach Radevormwald fährt.
Die Buslinie verläuft flußaufwärts, die Straße geht aber zwischen den beiden fraglichen Haltepunkten leicht bergab, weil „Vogelsmühle“ auf einem höher gelegenen Teil des Ufers liegt. Die Straße folgt ab hier in mehreren Linkskurven dem Verlauf des Flusses und ist ab „Wuppermarkt“ fast auf Flußniveau.
Der Busfahrer hat am 22. September, einem Dienstag, um 11.45 Uhr planmäßig die Haltestelle Vogelsmühle verlassen und sollte nach Plan eine Minute später an der Haltestelle Wuppermarkt eintreffen. Dort ist der Bus auch nach Zeugenaussagen angekommen, aber mit hoher Geschwindigkeit, hat nicht gebremst, sondern ist in der Linkskurve vor dem Wartehäuschen geradeaus gefahren. Er hat dort eine Leitplanke durchbrochen (im Foto ist die bereits erneuerte Planke zu sehen, die Spur des Busses ist auf der Straße weiß markiert), der Bus ist dann ein paar Meter durch dichtes Unterholz gerast und am Ende eine Böschung hinunter in den Fluß gestürzt.
Der Bus lag seitlich im flachen Wasser der Wupper, unmittelbar unterhalb des Wartehäuschens, welches der Bus beim Unfall nur knapp verfehlt hat. Fünf Menschen kamen ums Leben, der Busfahrer, 45 Jahre alt und Familienvater, eine Ehepaar aus Schwerte, das hinter dem Fahrer Platz genommen hatte, 70 und 71 Jahre alt, ein Mann aus Radevormwald, 38 Jahre alt, und eine weitere Frau, bislang unbekannter Herkunft, etwa 70 Jahre alt. An den 38jährigen erinnert ein Anschlag auf einem der Straßenbäume.
Es waren weitere, etwa zehn Personen im Bus, die vermutlich nur deshalb überlebten, weil sie weiter hinten saßen. Fünf von ihnen waren wurden teilweise schwer verletzt, sind aber alle nicht mehr in Lebensgefahr. Die Befürchtung, daß man weitere Tote im Fluß oder unter dem umgestürzten Bus finden könnte, bewahrheitete sich glücklicherweise nicht.
Die Spekulationen kreisen um den Fahrer, der für ein privates Unternehmen die Linie der Wuppertaler Stadtwerke befuhr. Gerda Klingenfuß, Velbert, stand auf dem Bus (auf dem Foto ein Bus der selben Firma auf der Gegenlinie), und aus dem Haus Klingenfuß wurde bekannt, daß der Bus neu war und der Fahrer ein langjähriger zuverlässiger Angestellter war.
Zeugen sagen, er habe nach dem Abfahren von „Vogelsmühle“ Vollgas gegeben und dies auch bis „Wuppermarkt“ so gehalten, was man sich nicht erklären kann. Mittlerweile wird auch gesagt, er sei bereits bei der Runde durch das obere Dahlerau eigenartig gefahren und habe Stopschilder übersehen.
Wie auch immer, das Örtchen erlebt sein zweites großes Unglück, nachdem am 27. Mai 1971 hier im Ort auf der eingleisigen Zugstrecke nach Beyenburg ein Güterzug mit einem Triebwagen zusammenstieß, der 61 Schüler von einem Ausflug nach Bremen zurück nach Radevormwald bringen sollte. Damals starben 41 Kinder und fünf Begleitpersonen. In der kleinen Stadt Radevormwald gab es praktisch niemanden, der nicht eins der Kinder kannte, oder mit einer betroffenen Familie verwandt oder auf andere Weise verbunden war.
Warum der Fahrer des Güterzuges damals in Dahlerau losgefahren ist, obwohl der Bahnhofsvorsteher ihm keine freie Fahrt gegeben hat, konnte nie geklärt werden. Ob man klären wird, warum der Busfahrer so fuhr, wie er am 22. Septmeber fuhr, ist ebenfalls fraglich.
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