Donnerstag, 17. November 2016

Reise ins Heilige Land (III): Christ und Türk


Im Hintergrund eines der "Hörner von Hattin"
Unsere zweite Übernachtungsstation ist das Gästehaus der Familie Shavit im Dorf Arbel*, hoch über dem See Genezareth. Der Blick aus unserem Fenster geht zu den "Hörnern von Hattin", einem markanten Doppelberg, an welchem die Muslime unter der Führung des Feldherrn Saladin in der Schlacht von Hattin im Jahre 1187 die christlichen Kreuzfahrer entscheidend schlugen und dann wenig später Jerusalem für den Islam zurückerobern konnten.

Zwar handelt es sich nicht um einen türkischen Sieg, die Türken lebten damals überwiegend noch in Zentralasien, aber die Schlacht von Hattin gehört zusammen mit der türkischen Eroberung von Konstantinopel und deren Belagerung von Wien zu einer Serie von Schreckensbildern, die tief in den Herzen der Christen ihre Angst vor den Muslimen nährt.
Saladin war von kurdischer Abstammung. Er hat auf dem Gebiet, auf dem unser Gästehaus liegt, die Büsche und Bäume anzünden lassen und das hungrige und durstige Christenheer in beißendem Qualm umherirren lassen, bevor er es angriff und besiegte.  

Nun kehren in Nureddins und meiner Person die ehemaligen Gegner wieder aufs Schlachtfeld zurück. Meine Angst, in meinem Zimmer einen zweiten Saladin neben mir zu haben, ist natürlich nicht vorhanden. Ganz allgemein legte sich auch die Angst, irgendwie mit Nureddin nicht zurechtzukommen, schon nach wenigen Stunden. Alle Reiseplanungen gingen in großem Einvernehmen zwischen uns beiden vonstatten, auch im Detail. Nureddin war immer bereit, zu meinen Gunsten den untersten Weg zu gehen, was ich ihm natürlich oftmals nicht erlaubt habe. In Punkto Demut (sagte mein Vater) lassen wir uns von niemandem etwas vormachen.

Bougainvilleas in Arbel
Auch das Schnarchen, vor dem wir uns gegenseitig gewarnt hatten, erwies sich als kein Problem. Manchmal bin ich nachts davon wach geworden, dass Nureddin in seiner Kehle eine Säge betätigte, habe mich dann aber an der tiefen Entspannung gefreut, die offenbar durch Nureddin hindurch ging, wenn er schnarchte. Er sagte mir am nächsten Morgen, auch ich hätte mich sehr stark sägend bemerkbar gemacht und auch ihn habe das nicht gestört.

Rund um das Haus der Familie Shavit blühten die Bougainvilleas in den prächtigsten Farben. Die Blume gehört zu meinen Lieblingspflanzen, besonders nachdem ich gelernt habe, dass sie zur Zeit der französischen Revolution von dem die Südsee befahrenden französischen Admiral Bougainville nach Europa geholt wurde. Die revolutionäre Energie hat sich damals ganz wesentlich aus der Sehnsucht nach der Natur gespeist. Die Matrosen, die im Revolutionsjahr 1789 auf der "Bounty" mit dem Ziel gemeutert haben, ihr Leben im Paradies der Südsee verbringen zu dürfen waren in diesem Sinne echte Revolutionäre.

Die schönste Bougainvillea, die ich bislang kannte, ein riesiger Baum im Eingangsbereich zu den Ausgrabungen von Kapernaum, fand ich leider nicht mehr vor. Man hatte die erhabene Pflanze entfernt, um den Eingang zu verbreitern. Aber im ganzen Land wuchsen die Bougainvilleas fast wie wild, teilweise als endlose Gebüsche entlang von Fernstraßen und Autobahnen. Die leuchtende Glut ihrer Blüten kontrastiert auf das angenehmste mit der öden Nüchternheit der Asphaltstraßen.


* der Name wird in der Bibel erwähnt, in Hosea 10,14




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