Freitag, 18. November 2016

Reise ins Heilige Land (IV): Besetzte Gebiete, neue Häuser


Auf der Fahrt nach Nablus fallen mir in den Vororten eine Reihe von schönen neuen Häusern auf, die ich schon vor einigen Jahren in ähnlicher Weise gesehen habe, die jetzt aber offenbar an Zahl zugenommen haben. Es sind meist mehrgeschossige Häuser, alle aus dem schönen gelblich-weißen Kalkstein gebaut, der hier in der Gegend in den Steinbrüchen zu finden ist.

Die Israelis nennen ihn Jerusalemstein, auch Meleke, den "Königlichen", die Palästinenser sagen "Heilig-Land-Stein". Er wird in große Blöcke von etwa 40 × 20 cm Kantenlänge geschnitten, wobei die Größe des Steins in vielen Gebäuden annähernd gleich ist. So entsteht unter den Häusern auf beiden Seiten der Demarkationslinie eine einheitliche Erscheinung, die vielfach eine sehr schöne Wirkung entfaltet.


Ich frage unsere palästinensischen Gesprächspartner in fast allen Gesprächen nach der Motivation der Bauherren. Ist die Situation unter der israelische Besatzung nicht eigentlich so deprimierend, dass man wenig Hoffnung für die Zukunft hat und entsprechend auch keine Häuser mehr baut? Alle Gesprächspartner bejahen die Schwierigkeit der Situation, sehen aber bei den Hausbauern eine Art von trotzigem Widerstand, der sie gerade in üblen zumindest ein Haus bauen lässt.

Ich bin als Nachkomme von mehreren Generationen von Bauunternehmern mit dieser Antwort nicht zufrieden. Die Bauherren, die in unserer Familie immer so etwas wie die natürlichen äußeren Feinde waren, weil sie regelmäßig in übertriebener Weise ihre Mängel geltend machten und Abzüge vom versprochenen Preis vornahmen, diese Bauherren waren alle ganz offenkundig davon überzeugt, dass sie in den neuen vier Wänden ein großes und dauerhaftes Glück finden würden. Sonst hätten sie niemals gebaut.

Gebäude aus Jerusalemstein in Bethlehem
Die Palästinenser dagegen erleben, wie sie sagen, ihre Existenz unter der israelische Besatzung als etwas Eingeengtes und Deprimierendes. Sie fühlen sich in vieler Weise behindert, können wegen der vielen Straßensperren niemals sicher sagen, ob sie zu einem angegebenen Termin an einem vereinbarten Ort sein können, und fühlen sich insgesamt als Menschen zweiter Klasse.

Aber sie haben schöne Häuser! Sie haben jetzt sogar mit Rawabi erstmals in ihrer Geschichte eine richtige neue Vorstadt nördlich von Ramallah gebaut, ein Settlement ganz ähnlich wie es die Israelis in diesem Land an vielen Stellen betreiben. Und in diesen neuen Wohnungen sitzen sie also angeblich und blasen Trübsal? Ich kann es mir nicht recht vorstellen.

Hoch über Nablus habe ich schon bei meiner ersten Wanderung eine große Anlage entdeckt, die von weitem wie ein Tempel aussieht. Es ist aber das Privathaus von Munib el Masri, des reichsten Mannes von Palästina (sein Name verweist auf seine ägyptische Herkunft). El Masri besitzt ein weit gespanntes Netz von Telekommunikationsfirmen und zählt zu den 50 reichsten Männern der Welt.

Kann man eine solche Villa bauen und damit rechnen, auf ewig von den Israelis belästigt zu werden? Sie hätten eine Zeit lang den Rohbau seines Hauses als Gelände für die Soldaten missbraucht, sagt el Masri, aber er hat einfach weitergebaut, Million um Million. 

Hier ist ein Teil der palästinensischen Wirklichkeit erkennbar, der mir vorsichtig dahin deutbar erscheint, dass man die Anwesenheit der Juden in diesem Teil der Welt nicht voll und ganz als Nachteil ansieht.

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