Mein Reisebegleiter und Freund Nureddin wollte immer schon
einmal nach Jerusalem, um am zweitheiligsten Platz der Muslime, der al-Aqsa-Moschee
zu beten. Ich wiederum wollte noch einmal meine Freunde aus den Wanderungen auf
dem Abrahamsweg sehen, und so wurde unser Plan geboren, eine gemeinsame Reise nach
Israel und Palästina zu unternehmen.
Schon am ersten Abend wurde mir klar, dass ich mit der Hilfe
von Nureddins muslimischen Augen sehr viel mehr sehen würde als nur mit meinen
eigenen. Er hat eine ganz eigene Antenne für das muslimische Leben in Israel. Gleich
zu Beginn unserer Reise erlebten wir in der alten palästinensischen Staat Jaffa
gemeinsam das etwas zurückgebliebene Leben, das man an vielen Orten des
Mittelmeers wie eine Erinnerung an alte osmanische Zeiten erleben kann. Die
Straßen in der Altstadt sind eng, die Häuser sind in einem manchmal nicht mehr
allzu guten Erhaltungszustand und die Strom- und Telefonkabel sind über die
Fassade geführt. Aber die Gerüche aus den Imbissständen und den Restaurants und
die Geräusche aus den Geschäften sind einladend und verheißungsvoll.
Wir hatten ein Zimmer in der Nähe des zentralen Uhrenturms
und benötigten nur ein paar Schritte, um am Abend zum Strand und von dort
hinauf zur Zitadelle zu gehen. Dort bietet das Restaurant "Aladin"
einen wunderbaren Platz mit Blick auf das hell erleuchtete Tel Aviv und auf das
Meer.
In dem von Muslimen betriebenen Restaurant wurde deutlich,
dass Nureddin bei den muslimischen Bewohnern Israels und bei den Palästinensern
in den West Banks besser ankommt als ich. Man ist zunächst immer ein wenig
erstaunt, wenn wir uns beide als Deutsche vorstellen, dann aber an unserem
Vornamen erkennbar wird, dass ich ein Christ bin, und Nureddin ein Moslem ist.
Zwischen ihm und den anderen Muslimen ist dann immer gleich eine Wärme da, um
die ich ihn ein wenig beneide.
Die Umma, die große Familie der Muslime hält zusammen, man erkennt
sich im Anderen wieder. Nureddin hat diese Erkenntnis immer wieder. Wenn er sich
in muslimischen Gebieten umschaut, sagt er häufig, "Das ist doch genauso
wie in Izmir!"
Aber nicht nur unter den Muslimen (von denen es auch in
Israel viel mehr gibt als ich bei meinem früheren Reisen beobachten konnte),
sondern auch in Israel gibt es viele Zeichen eines orientalischen Brauchtums,
die Nureddin gut gefallen. Die Frauen sind auf manchmal ganz ähnliche Weise mit
Kopftüchern geschmückt wie in der Türkei. Nureddin fragt sich immer wieder
verwirrt, was für eine Frau da vor im hergeht. Eine Muslima? Oder doch eine
jüdische Frau? Oder vielleicht gar eine russisch-orthodoxe Christin? Man muss
schon genau hinsehen, um die Unterschiede zu erkennen. Jedenfalls ist es in
diesem Land erheblich einfacher, äußere Zeichen einer Religions- oder auch nur
einer einfachen ethnischen Zugehörigkeit zu zeigen als in Deutschland, wo bei manchen Leuten jedes
Kopftuch Verdacht erregt.
Wenn sich unsere muslimischen Gesprächspartner mit ihrem Namen vorstellen, sagt ihnen Nureddin häufig, wie der Name in der Türkei benutzt und ausgesprochen wird. Auch das verbindet. Ich laufe in solche Situationen ein bisschen nebenher, was mich aber nicht stört, denn von Nureddins guter Laune hängt meine natürlich auch ab.
Wenn sich unsere muslimischen Gesprächspartner mit ihrem Namen vorstellen, sagt ihnen Nureddin häufig, wie der Name in der Türkei benutzt und ausgesprochen wird. Auch das verbindet. Ich laufe in solche Situationen ein bisschen nebenher, was mich aber nicht stört, denn von Nureddins guter Laune hängt meine natürlich auch ab.
Nureddin betet zu den fünf vorgeschriebenen Tageszeiten, was
uns immer wieder an ungewöhnliche Orte führt. In Jaffa findet er eine alte
Moschee, die wir am Anfang übersehen haben, deren Muezzinruf wir am frühen
Morgen aber deutlich hören. In Jerusalem nimmt er dreimal die Gelegenheit war,
in der al-Aqsa-Moschee beziehungsweise im Felsendom mit der goldenen Kuppel zu
beten. Beide Gebäude befinden sich auf dem alten jüdischen Tempelplatz, auf dem
bis zu seiner Zerstörung im Jahre 70 das Heiligtum der Juden stand.
Nureddin ist schon zweimal in Mekka gewesen und hat in
Medina die Moschee gesehen, in welcher der Prophet Mohammed in einer
plötzlichen Eingebung die vorherrschende Gebetsrichtung (nach Jerusalem) in die
Gebetsrichtung nach Mekka änderte. In der Moschee sind noch Gebetskanzeln in
beide Richtungen vorhanden.
Für mich wirkt der an einen festen Ort gebundene Glauben
gleichzeitig feierlich und erhaben und auch ein wenig fragwürdig. In Nablus
kommen wir in der Nähe der Kirche vorbei, die über dem Brunnen gebaut wurde, an
dessen Rand Jesus der Frau aus Sichem sagte, es komme die Zeit, in der die
Menschen Gott "im Geist und in der Wahrheit anbeten" können. Jesus
schafft die Gebundenheit an einen festen Bezugspunkt ab. Er selbst ist der
Tempel Gottes und seine Nachfolger können sich an jedem Ort der Welt zu ihm
wenden, ohne dafür ihren Platz zu verändern.
Zu den Gebetszeiten auf dem Tempelberg kann ich Nureddin
nicht begleiten. Wir versuchen es einmal, werden aber von einem Wächter am Tor
abgewiesen. Nureddin ärgert das ein wenig, denn er hat vorher erlebt, dass wir
sowohl zum heiligsten Ort der Juden, der Klagemauer, als auch zu den Kirchen,
die an Jesus erinnern, immer freien Zutritt hatten. Mich stört es weniger. Ich
kenne aus den Büchern von Karl May das Gefühl, das jeden Christen schaudern
macht, wenn erzählt wird, wie man nach Mekka hineinkommt und an seiner
unbeschnittenen Vorhaut als "Giaur" erkannt wird. Das rührt tiefe
Schichten der Seele an, den Reichtum will ich mir behalten.
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