Dienstag, 11. August 2009

Das Gesicht des Herrn van Rijn





Während eines Besuches bei Tochter Christina, die in Amsterdam studiert, haben meine Frau und ich die Ausstellung The Complete Rembrandt angesehen. Der Titel klingt großspurig, aber im Großen Saal der Alten Börse (Beurs van Berlage) sind tatsächlich alle bekannten Bilder Rembrandts einschließlich seiner Kupferstiche versammelt, als Fotografien. Der Nachteil, daß hier nur Reproduktionen ausgestellt sind, wird durch den Vorteil reichlich aufgewogen, die Bilder einmal sozusagen in der Familie aller ihrer Geschwister sehen zu können. Außerdem darf man hier ungehindert in die Nähe der Gemälde gehen und an einigen Stellen sogar mit eigens dafür ausgehängten Lupen feinste Details der Bilder studieren.

Die Tafeln zu Bildern und Themenschwerpunkten, in Niederländisch und Englisch, sind von Fachleuten geschrieben worden. Hinter der Ausstellung steht das renommierte Rembrandt Research Project und sein Leiter van de Wetering. Der ist in Berlin eine nicht besonders beliebte Person, seitdem er vor ein paar Jahren das dortige Glanzstück, den Mann mit dem Goldhelm als nicht von Rembrandt stammend abgewertet hatte. Auf einer großen Videoleinwand wird ein Film gezeigt, in dem van de Wetering die Entstehung und wechselvolle Geschichte der Nachtwache erzählt.

Was von den insgesamt 317 Bildern vielleicht am nachdrücklichsten in Erinnerung bleibt, sind die vielen Selbstporträts, die Rembrandt van Rijn, geboren 1606 in Leiden, gestorben 1669 in Amsterdam, in früher Jugend begonnen und bis kurz vor seinem Tod auf immer neue Weise fortgeführt hat. Die erklärenden Tafeln diskutieren die alte Auffassung, Rembrandt habe sich auf einer permanenten "Selbstsuche" befunden, geben aber einige andere Erklärungen für seinen häufigen Blick in den Spiegel.

Man vermutet nämlich, daß Rembrandt anfangs an sich selbst die Feinheiten der Wiedergabe von Haut, Haaren, Augen etc. studiert hat, schließlich wollte er recht bald Geld mit dem Anfertigen von Porträts verdienen. Später hat er möglicherweise für eine Kundschaft gemalt, die ihn als Genie verehrte und nach einem Besuch bei ihm ein Porträt des verehrten Meisters mit nach Hause nehmen wollte.

Dabei zeigt sein Gesicht keinerlei Spuren einer übersteigerten Genialität. Man wird mit diesem eher unauffälligen Gesicht nach und nach vertraut, wenn man an den Stellwänden im großen Saal der Börse entlanggeht, und würde den Herrn van Rijn vielleicht auf der Straße erkennen, wenn er noch einmal durch Amsterdam ginge. Am Ende kommen einem sogar die etwas aufgedunsenen Züge des alten Mannes eigenartig vertraut vor.

Sein Gesicht hat weder die tragische Tiefe eines Beethoven noch die durchgeistigten Züge eines Goethe, nicht einmal die wachen Augen eines Picasso. Es ist ein eher alltäglicher Kopf mit einer meist stumpfen hellen Haarfarbe, weichen Barthaaren und einem Hang zu rotgeränderten Augen.

Er muß seine ersten Lehrer und dann seine Auftraggeber durch sein großes Talent überzeugt haben, das sich schon früh in seinem immensen handwerklichen Können niederschlug. Einer der Lehrer war ein Spezialist für die Bilder von Himmel und Hölle, das könnte schon recht früh eine Begabung in ihm gefordert haben, die ihn am Ende fast unvergleichbar auszeichnete: die Fähigkeit, Licht und Dunkel zu malen.

Nach meinem Eindruck hat er es weit besser als andere verstanden, den Wegen des Lichtes nachzugehen, hat von einer einzigen, im Bild nicht sichtbaren Kerze große Räume ausgeleuchtet und gestaltet. Viele Bilder sind auf einen zuvor dunkelbraun vorbereiteten Hintergrund aufgemalt, so daß am Ende sich nur das dem Blick öffnet, was von einer Lichtquelle eindeutig erfaßt wird. Oft verzichtet Rembrandt zudem völlig auf starke Farben, nur um dadurch die Wirkung des Lichtes wie auf einem weichen Tuch in den kleinsten Nuancen zu erfassen.

Sein letztes Bild zeigt den alten Simeon im Tempel von Jerusalem, wie er das Jesuskind in den Armen hält. Das Bild ist im Laufe seiner Geschichte übel behandelt worden, teilweise wohl von Wasser zerstört. Dadurch ist die Wirkung der eher undeutlichen Technik, mit der Rembrandt am Ende seines Lebens gemalt hat, noch gesteigert.

Es ist ein armer Mensch zu sehen, der die allermeiste Zeit seines Lebens vergeblich auf die Erfüllung seiner Hoffnung gewartet hat. Aber nun ist sie da, und das Licht ist da, nicht mehr so prachtvoll wie auf den feinen Kleidern der reichen Leute, die Rembrandt früher porträtiert hat, aber fast noch schöner, inniger.

So ist es am Ende Gottes Licht, das über den Bildern Rembrandts aufleuchtet, und schafft ein Licht für die Ewigkeit.







1 Kommentar:

Peter Oberschelp hat gesagt…

Man vermutet nämlich, daß Rembrandt anfangs an sich selbst die Feinheiten der Wiedergabe von Haut, Haaren, Augen studiert hat:

Rembrandt zählt ganz sicher zu den größten Erforschern des Menscheninneren ohne Verletzung der Epidermis:

http://peteroberschelp.blogspot.com/2008/10/tulp.html