Völs am Schlern
In einem
Kriegsbericht von Ernst Jünger habe ich gelesen, wie dieser beim Vorrücken seiner Kompanie 1940 in Frankreich mit einer sehr hinderlichen Augenentzündung
morgens zu einem sehr langen Marsch aufbrechen musste. Zu seiner Verwunderung war
die Entzündung am Abend vollkommen abgeklungen. Er kommentierte dazu, "Das Militär kennt das Heilmittel
des langen Marsches."
Auch wir
haben dieses Heilmittel in einer verkleinerten Form erlebt, nachdem wir einige
Wanderungen am Ende so ausgedehnt hatten, dass wir abends recht erschöpft und müde ins Quartier
zurückkehrten. Besonders der Aufstieg auf den Schlern und das Ankämpfen gegen
orkanartige Windböen oben auf der Höhe haben uns viel Kraft gekostet, und der anschließende Abstieg am nächsten Tag wurde zu einer ordentlichen Qual, bei der am Ende jeder Schritt weh tat.Aber bei der folgenden Wanderung, zwei Tage später, stellte ich dann fest, dass eine Zerrung in meinem linken Bein verschwunden war, die mich in den letzten Monaten daran gehindert hatte, morgens normalen Schrittes die 20 Stufen zu meinem Büro hinauf zu gehen. Bei Christiane waren alte Rückenschmerzen nicht mehr spürbar. Ganz allgemein gehen wir beide "nach dem Schlern" jetzt die Wanderwege irgendwie leichtfüßiger.
Wir streiten uns allerdings darüber, ob wir noch einmal im Leben den mühsamen Weg zum Schlern hinauf machen wollen. Christiane hatte bei der Ankunft auf dem Gipfel zu meiner Enttäuschung ganz fest „nie wieder“ gesagt und ich versuche nun, sie von diesem Entschluss abzubringen.
Nach meinem Eindruck legt ein solcher Aufstieg über schwierige Wege, bei denen man manchmal die Hände zu Hilfe nehmen muss, eine Art von Zauber auf die anderen Wege, die dann später folgen. Ohne den überstandenen mühevollen Aufstieg würde man an den Tagen danach etwa einen gemütlichen Fahrweg weit unterhalb der Höhen gehen und sich bedrückt sagen „mehr schaffe ich nicht“. Dagegen ist man mit dem Schlern-Aufstieg im Kopf stolz darauf, dass man ja auch noch ganz andere Wege gehen kann.
So genießt man den einfachen Fahrweg gleich doppelt und so ist das Wandern selbst noch in der Ebene schön.
Ich möchte
jedenfalls nicht auf die Herausforderung einer wirklich langen Wanderung
verzichten, jedenfalls jetzt mit meinen 66 Jahren noch nicht.
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