Völs Am Schlern
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Der Schlern von der Seiser Alm aus gesehen |
Man sagt,
der Schlern sei das Wahrzeichen Südtirols, und vielleicht erklärt sich das
daraus, dass man ihn aus den Straßenzügen Bozens heraus immer wieder gut sehen
kann. Er verschließt den Blick in das nach Norden zum Brennerpass führende
Eisacktal mit seiner massiven grauen Krone gewissermaßen nach oben. Von Westen
und Osten sieht er mit seiner topfeben erscheinenden Oberfläche fast wie ein
Würfel aus - etwa 2 km mal 2 km in der Grundfläche und annähernd 1,5 km in der
Höhe. Von Norden kommend sieht man allerdings, dass er in der Mitte von einer
"Klamm", dem steilen Bett eines Wildbachs in zwei Hälften geteilt
wird. Hier stehen auch zwei markante, dem Gebirgsmassiv vorgelagerte Spitzen, die
raketenähnlich, zusammen mit der geraden Linie der Hochfläche das an ein mathematisches
Wurzelzeichen erinnernde Symbol für den Tourismus in diesem Gebiet geben.
Nach Osten
schließt sich an den Würfelkopf des Schlern ein etwa 5 km langer ebenmäßiger
Bergrücken an, der dem ganzen das Aussehen eines großen ruhenden Tieres gibt,
das die Seiser Alm auf ihrer Südseite abschließt.
Ich hatte in
der Vorbereitung auf unsere erste Südtirolreise bei dem unweit von hier, in
Villnöß geborenen Reinhold Messner gelesen, dass er am Schlern seine Großmutter
besucht hat und den Schlern immer als so etwas wie das Herz Südtirols angesehen
hat. So hatten wir uns damals als erstes Quartier eine Ferienwohnung in
Kastelruth, einem der Dörfer am Schlern gesucht.
Wir hatten
bei unseren Wanderungen auf der riesigen Sieser Alm unterhalb des Schlern immer
wieder ehrfuchtsvoll nach oben geblickt, aber hinauf zu den Schlernhäusern auf
der Hochfläche waren wir in unseren ersten beiden Reisen noch nicht gekommen.
Immerhin hatten wir es 2009 bis hinauf auf die Rosszähne auf der Ostseite des
langen Gebirgsrückens geschafft, mussten dann aber in unserem zweiten Urlaub
2011 wegen eines frühen Wintereinbruchs auf die Besteigung des eigentlichen
Schlern verzichten.
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Hochfläche des Schlern |
Gestern nun
haben wir die Wanderung hinauf nach sorgfältiger Vorbesprechung mit unserem
Zimmerwirt und einem ganz frühen Start im Morgengrauen geschafft. Hilfreich
erwiesen sich zunächst zwei Seilbahnen, die uns bis hinauf auf 2000 m Höhe
brachten. Von dort ging es zwar noch einmal 200 m hinunter zur Santnerhütte,
aber von dort ließ sich der Weg hinauf überwiegend gut und ohne unsere letzten
Kräfte zu fordern gehen. Allerdings kam im letzten Abschnitt Regen erschwerend
hinzu, und ganz oben auf der Hochfläche fegte uns ein Sturm mit über 100 km/h
entgegen, so dass wir heilfroh waren, uns in den Schutz der Schlernhäuser
begeben zu können.
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Blick aus unserem Zimmer
in das Gebirgsmassiv des Rosengarten |
Da der Sturm
nicht nachließ und unsere Kräfte für den Rückweg über die Südseite des Schlern
auch schon einigermaßen verbraucht waren, beschlossen wir, uns ein Zimmer zu
mieten und in der Hütte zu übernachten. Von den etwa 60 Leuten, die zum
Mittagessen hier oben versammelt waren, machten es ein gutes Dutzend ebenso
wie wir, so dass wir uns am späten Nachmittag und besonders am Abend zu
einer lustigen und interessanten Gesellschaft von Bergwanderern um einen großen
Tisch gesellen konnten.
Ein kleiner
zusätzlicher Höhepunkt bot sich für mich in der Besteigung des höchsten Punktes
auf dem Schlern, des kleinen Hügels namens Petz (2.563 m), der die Hochfläche
des Schlerns noch einmal um etwa 100 m überragt. Vom Sturmwind, der nach
Angaben der Wirtsleute am Ende mehr als 120 km/h erreichte, wurde ich fast wie
von selbst zum Gipfelkreuz hoch geblasen, musste mich dort dann aber manchmal
auf den Boden ducken, um überhaupt halbwegs wackelfreie Bilder fotografieren zu
können.
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Blick vom Petz hinunter auf die Schlernhäuser |
Der Abstieg am
nächsten Morgen verlief zunächst über recht bequem begehbare Almwiesen, von
denen vor wenigen Tagen bereits die Kühe hinunter ins Tal getrieben worden
waren. Leider zeigte sich weiter unten der lange Weg durch eine Schlucht als
eigentlich ausschließlich für das Vieh angelegt. Die
sauber verlegten, aber sehr unebenen Steine und die quer zum Weg verlegten kantigen
Holzbohlen, die über lange Passagen den schmalen Weg durch eine Schlucht
erleichtern sollten, erwiesen sich als ein Untergrund, für den man sich die gespaltenen Hilfe
einer Kuh anstelle der viel zu großflächigen und glatten menschlichen
Schuhsohlen als Gehhilfe gewünscht hätte. Wir kamen nur sehr langsam und jeden Tritt genau
erwägend voran.
Als wir
weiter unten in die schönen Bergwälder am Fuß des Schlern eintauchten, fühlten
sich meine Kniee und Unterschenkel geradewegs so an, als ob alle Kraft daraus gewichen wäre.
Schwankend und mit langen Pausen bewältigten wir den immer noch recht langen Weg
hinunter in unser Quartier, wobei es meiner Frau, die am Tag zuvor beim
Aufstieg eher am Ende ihrer Kräfte war, jetzt beim Abstieg wesentlich besser
erging als mir.
Die beiden
Tage auf dem Schlern werden uns in Erinnerung bleiben als eine Erfahrung von
den Grenzen unserer eigenen Kräfte und gleichzeitig als ein großes
Naturerlebnis.
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