Mittwoch, 14. November 2018

Prinz Charles, 70

Meinem Vetter Stefan Bohle gewidmet, der einen Tag nach dem Prinzen geboren wurde.

Das Schicksal des Prinzen Charles, der am heutigen Tag 70 Jahre alt wird und bislang noch nie in seinem Leben in dem für ihn bestimmten Beruf als König arbeiten konnte, erinnert an die Lebensläufe anderer Prinzen, denen es ähnlich erging. Das berühmteste Beispiel ist der Ururgroßvater von Charles, der Kronprinz Bertie, der unter seiner Mutter der Königin Victoria 65 Jahre alt wurde, bevor er 1901 endlich selbst König werden konnte. Es war ihm immerhin noch beschieden, für neun Jahre König Edward VII. von England zu sein und in dieser Zeit wohl auch einige vernünftige Reformen mit gestalten zu können.

Freitag, 19. Oktober 2018

Was recht und billig ist

Vor vielen Jahren habe ich einmal die Predigt eines jungen Pastors gehört, die mir wegen einer besonderen Auslegung in Erinnerung geblieben ist. Der Pastor sprach über das bekannte "Freuet euch in dem Herrn allewege" in Philipper 4,4 und über den danach folgenden Vers 5 "Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe!"

Bemerkenswerterweise hatte der junge Mann zur Erklärung des Verses 5 die älteste Lutherübersetzung herangezogen und gefunden, dass dort geschrieben steht "Eure Lindigkeit lasset kund seyn allen Menschen!" Das schöne Wort Lindigkeit ist heute nicht mehr geläufig und ist deshalb in den neueren Lutherübersetzungen durch Güte ersetzt worden. Der Pastor stellte uns aber noch einmal das alte Wort lebhaft vor Augen, indem er das Gegenbild eines finsteren apokalyptischen Propheten dagegen setzte, der mit "Der Herr ist nahe!" das Ende der Welt heraufbeschwört und dann in den dunkelsten Farben predigt. Wir dürfen in der Erwartung des nahen Herrns eine gaz anderer Weise an den Tag legen.

Sonntag, 16. September 2018

Krummacher, beten Sie!


Heilig-Geist-Kirche in unserem Ferienort Werder,
Fontane schreibt über sie:
„Die Munifizienz (Freigebigkeit) Friedrich Wilhelms IV.,
 die hier überall an der Havel … neue Kirchen …
entstehen ließ..."
Auf den Spuren der preußischen Könige haben wir in unserem Urlaub an der Havel vielfach auch Zeugnisse ihrer Frömmigkeit gefunden. Ob es eine wahre oder nur eine vorgespielte Frömmigkeit war, will ich nicht beurteilen. Wichtig erscheint mir zu sein, dass sie sich bis weit in die wilhelminischen Zeiten hinein aus einer besonderen Quelle gespeist hat: der Gegnerschaft zu Napoleon.

Der Franzose hatte im Jahre 1807 ganz Preußen überrollt und sich im Berliner Stadtschloss breitgemacht. Dem fromm und bescheiden lebenden König Friedrich Wilhelm III. blieb nur die Wahl, mit seiner Frau und seiner vielköpfigen Familie in das ferne Ostpreußen zu fliehen. Die Erinnerung daran blieb dem König und seinen Söhnen sicherlich tief eingebrannt. Der spätere Wilhelm I. erlebte als 9jähriger die Flucht über die Kurische Nehrung in Schnee und Eis, welche die Gesundheit seiner schönen Mutter Luise zerstörte, die 1810 starb. Auch wenn Napoleon wenig später bereits geschlagen wurde, blieb die Erinnerung an Unterdrückung und Leid – und am Ende der Stolz, das Joch abgeschüttelt zu haben.

Donnerstag, 13. September 2018

Das Neue Palais

In diesem riesigen Schloss hat sein Erbauer und Schlossherr, Friedrich der Große, nie wirklich gewohnt. Er hatte einige Zimmer im südlichen Seitenflügel, die er aber nur ganz selten benutzt hat. Sein Zuhause war das um weit mehr als die Hälfte kleinere und nur eingeschossige Sanssouci.

Entsprechend ist das Neue Palais, wenn ich es richtig sehe, von seinen Nachfolgern auch nicht mehr als wirkliche Residenz benutzt worden. Erst mit dem letzten der Hohenzollern, Kaiser Wilhelm II., zog wieder ein König von Preußen in dieses Haus ein.

Mittwoch, 12. September 2018

Augusta



Auf Goethes Knien wird sie gesessen haben, neunjährig in Weimar, während der 71jährige Dichterfürst ihr zu ihrem Geburtstag ein schönes Gedicht vorgelesen hat.

Es beginnt mit den Worten:

Alle Pappeln hoch in Lüften,
Jeder Strauch in seinen Düften,
Alle sehn sich nach dir um

Im weiteren Verlauf des Gedichtes* verliert man als Zuhörer angesichts sehr verschiedener Bilder ein wenig den Faden. Große Dichter schreiben nicht alle Tage große Gedichte. Aber Augusta wird sich über das Gedicht sicherlich gefreut haben.

Der Dichter Goethe und Augustas Großvater, Herzog Karl August, waren gute Freunde. In Weimar und im benachbarten Jena förderten beide die „Weimarer Klassik“ mit vielen berühmten Philosophen und Künstlern. Augusta profitierte davon, indem sie auf verschiedenen Gebieten hervorragende Lehrer bekam und ihrem späteren, 14 Jahre älteren Ehemann Wilhelm schon frühzeitig durch ihren klugen Kopf auffiel.

Dienstag, 31. Juli 2018

Behandelt uns anders!




Edvard Munch: Melancholie
Zwei Frauen baten jüngst unabhängig voneinander in zwei großen Zeitungen auf recht dramatische Weise darum, nicht mit den gängigen Klischees überzogen zu werden, die sich mit psychischen Erkrankungen verbinden.

Die eine, Rhiannon Picton-James, eine Frau aus Wales, bittet in der New York Times darum, kein "Merchandise" aus ihrer Krankheit zu machen, also keine modische Handelsware. Ein Verehrer hatte von ihren Depressionen erfahren und ihr davon vorgeschwärmt, ein Liebesverhältnis mit ihr zu haben wie es der Schriftsteller Scott Fitzgerald mit seiner Frau Zelda hatte. Die muss zauberhaft schön gewesen sein - und dabei schizophren.

Freitag, 22. Juni 2018

Reliquien machen Station in Köln



In Köln konnte man in der vergangenen Woche zwei besonderen Besuchern begegnen: Zélie Martin und ihr Mann Louis, er ein Uhrmacher aus Alençon in der Normandie. Die beiden sind schon seit über 100 Jahren tot, dürfen aber derzeit als Reliquien durch die Welt reisen und werden an vielen Orten mit großer Verehrung empfangen.

Samstag, 2. Juni 2018

Das moderne Selbst – innerlich, alltäglich, natürlich



Wenn es in diesem Buch, das voll ist mit schweren philosophischen Überlegungen, etwas gibt, bei dem man anhalten, zur Ruhe kommen und ein paar Dinge verstehen kann, dann sind es immer wieder die Punkte, in denen Taylor uns die Werte vorstellt (er spricht von "goods" , also Gütern oder Gutem), die heute grenzüberschreitend vielen unterschiedlichen Menschen auf der Welt gemeinsam sind.

Taylor schildert sie in drei großen Kapiteln anhand von drei großen Bereichen.

Da ist zum ersten der Bereich der Innerlichkeit, der Hinwendung auf ein inneres Wesen, in dem unser Selbst wohnt. Dass wir in uns selbst gehen, in unserer Seele forschen, das war nicht immer eine Selbstverständlichkeit. Das alte griechische Denken war eher von Dingen außerhalb von uns selbst bestimmt. Der Sinn des eigenen Lebens konnte nur erkannt werden, wenn man die Sinnhaftigkeit der äußeren Dinge, ihre Ordnung um uns herum verstanden hatte.

Freitag, 9. Februar 2018

Eine Ehre für Nordirland



Harry Gregg
Wie er da im Anzug auf der Tribüne in Malmö sitzt und nervös die Zunge gegen seine Wange drückt, so hat sich sein Bild tief in meine Erinnerung eingebrannt. Vor 60 Jahren spielte er als Torwart von Nordirland eine sehr erfolgreiche Weltmeisterschaft, und ich bekam ein reich bebildertes Album von diesem Ereignis später zu Weihnachten geschenkt. Ich lernte Teile davon auswendig, die Mannschaftsaufstellung der Deutschen von damals kann ich heute noch hersagen, die Spielergebnisse hatte ich ebenfalls komplett im Kopf, manche davon ebenfalls noch heute.

Sonntag, 21. Januar 2018

Abrahams Teppich

In Angelika Neuwirths neuem Buch wird die Geschichte der islamischen Aneignung der Abrahamsgestalt erzählt. Diese Aneignung ist geistreich und ungewöhnlich und in der Bewertung von Frau Neuwirth "revolutionär".

Die Entwicklung des neuen Abrahamsbildes der Muslime vollzieht sich in mehreren Stufen. Der durch Mohammed eingeleitete Rückkehr zum Monotheismus beginnt in Mekka und hat als eins seiner Zentren die im Koran siebenmal wiederholte Geschichte, wonach Abraham in seiner Heimatstadt die alten tönernen Götzen als Machwerk erkennt, sie entlarvt und sie zerstört. Abraham begegnet den Gläubigen als jemand, der eigene kritische Gedanken entwickelt und dann mit Witz und Tatkraft in die Geschichte eingreift. Anders als beim Abraham der Bibel erfährt der Leser des Korans nichts von desssen Vertrauen in den Gottesruf, der Abraham aus seiner Heimat fort und in ein neues Land führt.

Samstag, 20. Januar 2018

Ein Bocuse-Rezept


Moules à la marinière, Muscheln nach Seemansart - seit vielen Jahren halte ich mich an dieses schöne und einfache Rezept, bei dem am Ende der Sud noch ein wenig eingekocht, "reduziert" wird.

Aus dem Buch "Die Neue Küche", mit dem Originaltitel "La Cuisine du Marché", welche den Grundgedanken von Bocuse am besten zum Ausdruck bringt: das Kochen beginnt morgens mit einem sorgfältigen Einkauf auf dem Markt.

Dienstag, 2. Januar 2018

Gerechtigkeit und Symmetrie


Angelika Neuwirth hat für die Entstehung des koranischen Begriffs von Gerechtigkeit ein schönes Bild. In der Sure 90 "Die Stadt", in der es eindrückliche Bilder von sozialer Gerechtigkeit gibt, Bilder, die unmittelbar dem Alten Testament entnommen sein könnten, wird zunächst auf die menschliche Schöpfung Bezug genommen (Q 90: 8-9)

Haben wir ihm nicht zwei Augen eingesetzt
und eine Zunge und zwei Lippen?

Frau Neuwirth führt aus, dass es in einer anderen Koranstelle (Q 82:7) heißt, Gott habe den Menschen "erschaffen, fein gebildet und ins Gleichgewicht gebracht". Das arabische Wort für Gleichgewicht (addala) ist das Stammwort für das spätere Wort für Gerechtigkeit (adl). Die Symmetrie der menschlichen Ausformung, das schöne Gleichgewicht, ist das Urbild für Gerechtigkeit, ganz ähnlich wie das Bild der ebenfalls symmetrischen Waage.