Samstag, 29. Mai 2010

Dr. Erkan





Dr. Erkan Saka gehört nicht der Gülen-Bewegung an, den Besuch bei ihm habe ich Murat vorgeschlagen, und der hat gleich zugestimmt. Ich hatte Erkan vor unserer Istanbul-Reise 2007 über das Internet gefunden und dann besucht, er ist einer der aktivsten und interessantesten Blogger in der ganzen Stadt, sein englischer Blog wird täglich von hunderten von Leuten gelesen. Erkan hat in den USA studiert und dort auch seinen Doktor gemacht, in Anthropologie. Auf dem neuen Campus von Santral Istanbul, der seinen Namen von dem zentralen Elektrizitätswerk hat, das sich früher einmal hier befand und der zur Bilgi Üniversitesi gehört, ist er Assistenzprofessor und unterrichtet seine Studenten in Medienkunde.

Ich bin überrascht, daß er von den Unterschieden berichtet, die es weiterhin zwischen den alteingesessenen Istanbullus und den Einwohnern geht, deren unmittelbare Vorfahren aus Anatolien stammen. Obwohl sich beide Kreise mittlerweile weder in der Sprache noch im Verhalten voneinander unterscheiden, weiß man im Bekannten- und Freundeskreis sehr wohl noch von der jeweiligen persönlichen Geschichte und Abstammung. Natürlich weiß man auch, wer als frommer Moslem lebt und wer nicht, wobei eine anatolische Abstammung und eine konsequente Religionsausübung oft Hand in Hand gehen, es aber nicht müssen.
Spätestens im Ramadan wird jedenfalls der Unterschied deutlich, wenn der eine fastet und der andere trinkt und ißt. Erkan ist der einzige in der Fakultät, der den Ramadan einhält. Das grenzt ihn nicht aus, aber die Unterschiede sind unter den Kollegen zumindest bekannt.

Zu der Gülen-Bewegung hat er, wie ich aus früheren Gesprächen weiß, ein eher distanziertes Verhältnis. Wie viele ihrer Kritiker fürchtet er eine Art von Geheimbund, teilt auch sicherlich nicht alle Formen der strengeren Frömmigkeit Gülens, wie etwa die konsequente Abstinenz vom Alkohol. Aber ein Moslem möchte er sicherlich sein und sieht nach meinem Eindruck auch keinen Widerspruch darin, gleichzeitig mit dem zweiten Bein fest in der Welt der Wissenschaft und der modernen Kommunikation zu stehen.

Eine Leidenschaft erscheint mir an ihm besonders weltlich zu sein: seine Liebe zu Heavy Metal. Deren Bands sind momentan zu einem großen Festival in Istanbul versammelt, alles was in Heavy Metal Rang und Namen hat, ist in der Stadt. Mich hat es schon früher immer eigenartig berührt, im Blog von Erkan Hinweise auf wilde Bands wie "Lamb of God" zu finden. Ob ihm als Moslem bewußt ist, welchen langen, die Bedeutung verändernden Weg dieses Wort vom Lamm Gottes gegangen ist, wenn es Erkans Ohr in Istanbul erreicht?

Wie auch immer - Erkan ist Teil einer Welt, die sich auf eine für mich nicht immer leicht zu verstehende Weise auf die Suche gemacht hat und genau wie ich Gott finden will.




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