Onkel Ismet ist im Jahre 1961 von Anatolien nach Istanbul gekommen, da war er 17. Etwas später ist sein etwa gleichalter Neffe Kemal, Zekiyes Vater, nach Neuß im Rheinland ausgewandert. Beide Männer beziehen mittlerweile ihre Rente, aber Onkel Ismet, als der unruhigere der beiden, geht weiter für ein paar Stunden am Tag arbeiten und bedient wie früher, als er auf der asiatischen Seite ein Restaurant besaß, Gäste. Heute tut er es in einem Teehaus im Schatten der großen Yeni Cami, der Neuen Moschee, unten an der Galatabrücke, die über das Goldene Horn führt.
Nur ein paar Zufälle - einmal war es die Geburt seines ersten Kindes - haben es verhindert, daß er wie eigentlich geplant ebenfalls nach Deutschland ausgewandert wäre. Er ist offenbar zufrieden damit, sein Leben hier in Istanbul gelebt zu haben. Was in Deutschland für ihn besser, was schlechter gewesen wäre? Er zuckt die Achseln.
Wie sein Neffe (und wie ich) hat er Probleme mit dem Herzen, und spätestens als er von seinen zwei Stents erzählt und ich ihm von meinen beiden, weiß ich, daß ich den Tee auf meinem Tisch gleich nicht bezahlen muß. Herzpatienten haben Brüder auf der ganzen Welt.
Er führt seine Gesundheitsprobleme auf fettes Fleisch zurück und hat sich eine Diät verordnet, die ihn angenehm schlank macht, das hat er mir voraus. Auch den Alkohol meidet er seit einigen Jahren, da spielt aber eine späte Hinwendung zum Islam wohl die wichtigere Rolle. Bei mir käme ja wohl noch das Fleisch "dieser Tiere" hinzu, wie mir Murat übersetzt, das wäre natürlich auch schlecht fürs Herz.
Ob seine deutschen Verwandten Zekiye und Murat, die Almancıs, noch gut Türkisch sprechen? Murat übersetzt meine Frage und auch die Antwort: der Onkel lacht und sagt zu mir "wie Du!" Das ist das schönste Kompliment, das ich für meine paar Brocken Türkisch je bekommen habe, auch wenn es natürlich vollkommen übertrieben ist.
Sonntag, 23. Mai 2010
Onkel Ismet
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