Cemele, bei
Kırşehir
Der vorläufige Höhepunkt der Hochzeitsfeiern war für mich am Samstag der Wettbewerb
der jungen Männer des Dorfes, die sich darin maßen, einen etwa 20 bis 30 kg
schweren Rinderkopf auf ein vier Meter hohes Hausdach zu werfen. Der Kopf war
zuvor vom Rumpf des jungen Bullen getrennt worden, der zum Anlass der Hochzeit
sein Leben lassen musste und von dessen Fleisch wir uns schon am Freitag
ernähren konnten.
Ich muss ein paar der archaischen Details erzählen, weil das kurze Video nur einen Teil der Wirklichkeit erfasst. Der Kopf wird am Maul ergriffen und wird dann zwischen den Beinen des Werfers, der mit dem Rücken zur Hauswand steht, einige Male hin und hergeschwungen, um dann mit einer kräftigen Aufwärtsbewegung in Richtung auf das Flachdach befördert zu werden.
Ich muss ein paar der archaischen Details erzählen, weil das kurze Video nur einen Teil der Wirklichkeit erfasst. Der Kopf wird am Maul ergriffen und wird dann zwischen den Beinen des Werfers, der mit dem Rücken zur Hauswand steht, einige Male hin und hergeschwungen, um dann mit einer kräftigen Aufwärtsbewegung in Richtung auf das Flachdach befördert zu werden.
Die ersten
etwa 50 Würfe der zwei Dutzend Werfer zeigten alle Probleme dieser fremd und
archaisch wirkenden Sportart anschaulich auf. Man warf mit zu wenig Schwung
oder Kraft (schmächtige Kerle gaben nach dem ersten Versuch auf), man warf zu
steil und nicht nah genug an das Dach heran, kam von der Senkrechten ab, und es
dauerte gute zwanzig Minuten, bis der erste Wurf zumindest an die Dachkante
schlug und der Kopf Anstalten machte, sich über diese Kante zu drehen und
liegen zu bleiben. Während dieser Zeit konnte man das im Tode grausam
verspottete Tier die unmöglichsten Grimassen schneiden sehen. Mal drehte es
sich mit offenem Rachen und heraushängender Zunge gerade so durch die Luft, als
ob es noch im Tode schreien wolle, mal lag es mit seinen mit seinen schönen
langen Wimpern und seinen wie schlafend geschlossenen Augen für einen Moment
still auf dem Boden, als ob es sich lautlos beklagen wollte, dass man seine
Totenruhe störte.
Aber schon
wurde es wieder von groben Händen, darunter auch denen des Bräutigams, am Maul
gepackt und musste die nächste Leidensfahrt in Richtung Dach antreten, von der
es noch eine ganze Weile lang jeweils mit einem krachenden Aufschlag auf den
Boden zurückkehrte. Am Ende gelang es dem 29jährigen Ibrahim Burcak, den Kopf
auf dem Dach landen zu lassen, was aus dem Grunde, wie ich später erfuhr, nur
verhalten bejubelt wurde, dass Ibrahim die Wettbewerbe der letzten Jahre
allesamt gewonnen hatte.
Am Abend zog
die Hochzeitsgesellschaft von Musikanten und Gewehrsalven begleitet (alle
scheinen hier im Besitz von Waffen zu sein) zum Haus der Braut, wo ebenfalls
bereits gefeiert wurde, und sah zu, wie es dem Bräutigam mit allerlei Tricks,
die man ihm abverlangte, schließlich gelang, die Braut auf die Straße zu
bringen und zum Mittelpunkt eines wilden allgemeinen Tanzens zu machen.
Man zog
danach aber wieder ab, ohne die Braut mitnehmen zu dürfen, und wartete bei
hellem Mond und klaren Sternen den Gegenbesuch der Braut und ihrer Gesellschaft
ab, der ebenfalls von allerlei gespielten Verhandlungen begleitet erneut in
einen wilden Reihentanz einmündete, in dessen Verlauf, ich muss es bekennen,
auch ich auf die staubige Hoffläche gezogen, am Tanz beteiligt und schließlich
mit einer scharf geladenen Pistole bewaffnet wurde, mit der ich, ich schwöre
es!, eine Salve von drei Schüssen in den Nachthimmel abgab.
Ich bekenne:
ich habe gelebt.
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