Uçhisar,
Kappadozien
Ich habe
mich mein Leben lang mit Freude an einen Tisch gesetzt, wenn ich wusste, dass
das Essen aus einer türkischen Küche kam. Vielleicht hat mir ein alter
Reiseführer aus den 60er Jahren geholfen, den richtigen Zugang zu dieser Küche
zu finden, von der manche Menschen sagen, sie sei neben der französischen und
der chinesischen die beste der Welt. In besagtem Reiseführer, den ich zur
Vorbereitung meines Auslandspraktikums 1971 in Istanbul las, war auf
altmodische Weise auf die vielfältigen Fremdheiten dieser orientalischen Küche
hingewiesen worden. Es gab eine Reihe von Schilderungen, die schließlich in der
Vorstellung gipfelten, dass man als Ehrengast eines opulenten türkischen
Gastmahls eine pyramidenförmig geschichtete Platte mit Hammelfleisch vorgesetzt
bekäme, auf deren Spitze als besondere Gabe für den Gast - ein Hammelauge
liegen und den Gast mit der Aufforderung anblicken würde, es zu zerteilen und
zu verspeisen
Ich erinnere
mich, mit zwiespältigen Gefühlen in die Türkei gefahren zu sein. Einerseits
wollte ich edelmütig und dem Fremden gegenüber aufgeschlossen wirken und das
Auge mit Entschlossenheit essen, andererseits hätte ich es wohl kaum über's
Herz gebracht, den Blick des Tieres standzuhalten. So bin ich mit dem
ungelösten Problem im Koffer losgefahren, was ich denn nun tatsächlich tun würde,
wenn der Fall X eintritt und das Auge des Hammels vor mir auf dem Teller
liegt.
Der Fall ist
nie eingetreten, 1971 nicht, und auch später nicht, auch in anderen Ländern
nicht. Es war gerade so, als ob unter dem Radarschirm, der für den einen
einzigen Schreckensfall eingerichtet war, und der nur beim Erscheinen eines
Hammelauges Alarm geben würde, eine wundersam wohlschmeckende Vielzahl von
Gerichten, eins nach dem anderen auf den Tischen erschienen, die allesamt gut
und oft exzellent waren - sie waren ja kein Hammelauge. Wenn man frei ist,
alles zu Essen, geht man frei in jedes fremde Land und erlebt die wunderbarsten
kulinarischen Dinge.
Später habe
ich diese Geschichte vom Hammelauge auch meinen fünf Kindern weitergegeben, und
sie sind alle fröhlich in der Welt herumgefahren, ohne die typischen
Ekel-Berichte mitzubringen, die man sonst gerne von Reisenden hört. Gesegnet
sei das Auge des Hammels!
Nun möchte
ich nur noch wissen, wie es tatsächlich schmeckt. Ich hörte von Franzosen,
deren guter Geschmack für Essen sich unter Anderem daran schult, dass sie alle
möglichen Innereien ausprobieren, Herz, Lunge, Gehirn etc., dass die Augen aus
viel Eiweiß bestehen und deshalb wie Eier schmecken. Ich weiß aber nicht, ob
ich es je ausprobieren werde - mittlerweile ist ja bekannt, dass man die
englische "Mad Cow Desease" darüber bekommen kann. Davor möge mich
mein Radarsystem weiter schützen.
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