Samstag, 24. August 2013

Betriebswirtschaftliche Grundzüge einer Hochzeit auf dem Lande


Cemele bei Kırşehir, Kappadokien

Rıza, der Patriarch und Großvater des Bräutigams, hat gestern die nach und nach eintreffenden männlichen Verwandten (dazu zählen alle Vettern bis hin zum dritten und vierten Grad und die damit verschwägerten oder verschwippschwägerten) noch einmal mit eindringlichen Worten daran erinnert, dass die Hochzeitsfeier nur gelingen kann, wenn jeder der erwarteten fast Tausend Gäste sich willkommen und beachtet fühlt. Das bedeutet für die Männer, besonders die jüngeren, dass sie im ständigen Hin und Her mit der Küche heute darum besorgt sein werden, dass alle genug zu essen haben und dass vor allen Dingen der beständige Strom von Tee nicht versiegt.

Die Frauen haben währenddessen tausende von grünen Paprikas mit einer wohlschmeckenden Füllung versehen und gekocht, haben die berühmte Hochzeitssuppe "düğün çorba", eine dunkle, edel und kräftig schmeckende Hühnersuppe in riesigen Töpfen angerichtet und haben das Gelände hinter dem Haus des Brautvaters in eine große Feldküche verwandelt, in der Töpfe über offenen Feuerstellen sieden.

Das Recht, sich in Ruhe an den gedeckten Tisch zu setzen und die wohlschmeckenden, alle "Bio" angebauten Gerichte zu genießen (dass hier alles "organic food" ist, haben die durchaus weltoffenen Bauersleute schon lange begriffen, können aber vorerst keinen Vorteil daraus ziehen - die gesamte Konkurrenz produziert ja ebenso Bio), haben nur Leute wie ich, die entweder weit angereist oder schon etwas älter sind.

Noch eins stellt Rıza, der Patriarch, klar: das Ausschenken von Alkohol gehört nicht zu den Pflichten eines sorgfältigen Gastgebers. Einer der Verwandten, hat mit einem leicht süffisanten Lächeln daran erinnert, dass auch ansonsten treue Muslime bei Hochzeiten schon einmal den türkischen Anisschnaps, den Rakı, zulassen. Hinter vorgehaltener Hand wird mir angedeutet, dass gerade dieser Vetter unter Alkohol zu einem ungeordneten Verhalten neigt. Der würde nicht einmal in Deutschland einen Schnaps bekommen.

Nein - Gastfreundschaft gründet sich auf einem festen Halt in den Prinzipien des eigenen Hauses. Man dient, aber man verbiegt sich nicht.

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