Cemele bei
Kırşehir, Kappadokien
Rıza, der
Patriarch und Großvater des Bräutigams, hat gestern die nach und nach eintreffenden
männlichen Verwandten (dazu zählen alle Vettern bis hin zum dritten und vierten
Grad und die damit verschwägerten oder verschwippschwägerten) noch einmal mit
eindringlichen Worten daran erinnert, dass die Hochzeitsfeier nur gelingen
kann, wenn jeder der erwarteten fast Tausend Gäste sich willkommen und beachtet
fühlt. Das bedeutet für die Männer, besonders die jüngeren, dass sie im
ständigen Hin und Her mit der Küche heute darum besorgt sein werden, dass alle
genug zu essen haben und dass vor allen Dingen der beständige Strom von Tee
nicht versiegt.
Die Frauen
haben währenddessen tausende von grünen Paprikas mit einer wohlschmeckenden
Füllung versehen und gekocht, haben die berühmte Hochzeitssuppe "düğün
çorba", eine dunkle, edel und kräftig schmeckende Hühnersuppe in riesigen
Töpfen angerichtet und haben das Gelände hinter dem Haus des Brautvaters in
eine große Feldküche verwandelt, in der Töpfe über offenen Feuerstellen sieden.
Das Recht,
sich in Ruhe an den gedeckten Tisch zu setzen und die wohlschmeckenden, alle
"Bio" angebauten Gerichte zu genießen (dass hier alles "organic
food" ist, haben die durchaus weltoffenen Bauersleute schon lange
begriffen, können aber vorerst keinen Vorteil daraus ziehen - die gesamte
Konkurrenz produziert ja ebenso Bio), haben nur Leute wie ich, die entweder
weit angereist oder schon etwas älter sind.
Noch eins
stellt Rıza, der Patriarch, klar: das Ausschenken von Alkohol gehört nicht zu
den Pflichten eines sorgfältigen Gastgebers. Einer der Verwandten, hat mit
einem leicht süffisanten Lächeln daran erinnert, dass auch ansonsten treue
Muslime bei Hochzeiten schon einmal den türkischen Anisschnaps, den Rakı,
zulassen. Hinter vorgehaltener Hand wird mir angedeutet, dass gerade dieser
Vetter unter Alkohol zu einem ungeordneten Verhalten neigt. Der würde nicht
einmal in Deutschland einen Schnaps bekommen.
Nein -
Gastfreundschaft gründet sich auf einem festen Halt in den Prinzipien des
eigenen Hauses. Man dient, aber man verbiegt sich nicht.
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