Werder, Alte Hauptstraße |
Die große
Zeit für unseren Ferienort Werder an der Havel brach an, als mit dem schnell wachsenden Berlin im
19. Jahrhundert ein riesiger Markt für landwirtschaftliche Produkte sozusagen
vor der Haustür entstand. Man spezialisierte sich bald auf den Anbau
von Obst und wurde dabei offenkundig (so schreibt es Theodor Fontane) von
eingewanderten Spezialisten aus Frankreich und Holland unterstützt. Hilfreich
war es, dass man die anfangs gebräuchlichen "Schuten", die mit Menschenkraft gerudert werden mussten, bald durch Dampfschiffe ersetzen konnte, welche große
Lastkähne, schwer mit Obstkisten ("Tienen") beladen, nach Berlin
schleppen konnten.
Fontane ist
über die betriebswirtschaftlichen Rahmendaten, die Chancen und Risiken des Anbaus von Obst
bestens informiert. Er entdeckt beim Gang durch die kleine Stadt Anzeichen von
gediegenem Wohlstand, findet aber nirgends wirklichen Reichtum. Das Problem
sei, so sagt er, dass viel zu oft ein Ernteausfall durch die Ersparnisse der
Vorjahre ausgeglichen werden müsse. Späte Fröste, welche die Blüten zerstören,
und allerhand Insektenschädlinge können immer wieder einen ganzen Erntejahrgang
vernichten. Richtig reich werden, so lehrt Fontane, kann man nur durch fein
kalkulierte Handelsgeschäfte, nicht durch die Arbeit der eigenen Hand.
Die
umfangreichen Recherchen, die man fast aus jedem Satz von Theodor Fontane
herauslesen kann, sind offenbar auch die Grundlage seiner späteren Romane und
seines Ruhmes geworden, eine eigene Realistenschule gegründet zu haben, zu der sich etwa
auch Thomas Mann gerechnet hat. In seiner Nachfolge muss der Schriftsteller
kein großes, phantasievolles Herz mehr haben, sondern vielmehr wache Augen und einen
großen Notizblock.
Auch eine
zweite Wirtschaftsachse nach Berlin beschreibt Fontane sehr
präzise: im Nachbarort Glindow werden große Lehmbestände abgebaut und an Ort und Stelle zu
Ziegeln gebrannt, um in Berlin für den Bau von Häusern und Industrieanlagen
verwendet zu werden. Anders als in Werder gibt es hier aber durchaus Leute, die
es zu offenbarem Reichtum gebracht haben, die Ziegellords, deren Häuser weithin
auffallen.
In ihrem
Gefolge verdienen die Handwerker, die ihre Ziegel noch in ähnlicher Weise in
Formen streichen wie es vor Urzeiten die Israeliten in Ägypten getan haben,
gutes Geld. Auch unter ihnen gibt es eingewanderte Spezialisten. Hervorgehoben
werden die Leute aus dem Lipperland, die sich von Erbsen und Speck ernähren und
sich dank einer straffen Organisation eines hohen Ansehens und wohl auch einer
etwas besseren Bezahlung erfreuen. Sie haben sich das Vorrecht erworben, ihre
Rohziegel immer als erste in die freiwerdenden Brennöfen schieben zu dürfen.
Die Produktion der lokalen Ziegelstreicher muss dann warten. Aber auch sie werden - bei bis zu 17 Arbeitsstunden täglich - relativ gut bezahlt, (wenn die Preise für Ziegel nicht durch äußere Umstände in Verfall geraten) und unterscheiden sich darin von den ebenfalls zugereisten Tagelöhnern, die am unteren Ende der Lohnskala stehen.
Die Produktion der lokalen Ziegelstreicher muss dann warten. Aber auch sie werden - bei bis zu 17 Arbeitsstunden täglich - relativ gut bezahlt, (wenn die Preise für Ziegel nicht durch äußere Umstände in Verfall geraten) und unterscheiden sich darin von den ebenfalls zugereisten Tagelöhnern, die am unteren Ende der Lohnskala stehen.
Fontane
kontrastiert die Existenz dieser Tagelöhner mit dem Reichtum der Ziegellords und zeichnet am
Ende ein eindrucksvolles Bild der stumpfsinnigen Trübsal, die aus der Armut
entstehen kann.
Am See
hin, um die Veranden der Ziegellords rankt sich der Wilde Wein, Laubengänge,
Clematis hier und Aristolochia dort, ziehen sich durch den Parkgarten, Tauben
stolzieren auf dem Dachfirst oder umflattern ihr japanisches Haus, – aber diese
lachenden Bilder lassen die Kehrseite nur umso dunkler erscheinen: die
Lehmstube mit dem verklebten Fenster, die abgehärmte Frau mit dem Säugling in
Loden, die hageren Kinder, die lässig durch den Ententümpel gehen.
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