Altarraum der Klosterkirche Lehnin |
Von dem
Zisterzienserkloster Lehnin aus haben Mönche nach dem Jahre 1180 große Teile
des Landes urbar gemacht und den slawischen Völkern hier das Evangelium
gebracht. Viele Legenden ranken sich um den frommen Markgrafen Otto, der das
Kloster gestiftet hat, und um seinen ersten Abt, den Abt Sibold.
Diesen
Missionar haben die übel gesinnten
Wilden recht unfreundlich begrüßt und ihn kurzerhand umgebracht. Sie
hatten allerdings auch einige Gründe, ärgerlich zu sein. Einer bestand
möglicherweise (nach neueren Forschungen) darin, dass die alte Eiche, unter der
Markgraf Otto seinen Traum von der Erbauung des Klosters hatte, ein altes
indigenes Heiligtum war. Man hatte also das Kloster und seine Kirche recht
imperativ an die Stelle der alten Götterverehrung gesetzt.
Warum hat
der Architekt der Kirche an diese alte Eiche erinnern wollen? Er hat sie so in
den Bau eingefügt, dass man sie beim Hinaufschreiten zum Altar als zweite
Treppenstufe benutzen kann. Wollte man damit sagen, dass bereits der alte
Glaube die ersten Schritte zu Gott in sich eingeschlossen hatte, dass aber erst
der neue Glaube den ganzen Weg bis zu Ende geht? Das wäre eine relativ tolerante
Interpretation, zu der das neuzeitliche Christentum sicherlich nicht bereit
ist. War das Mittelalter vielleicht zu einer größeren Ambiguitätstoleranz, um
es mit einem modernen Wort zu sagen, in der Lage als wir heutigen?
Meine
Gedanken schweifen ab. Meine Heimatgemeinde beschäftigen ganz ähnliche Problem
wie die damaligen, denn die jungen Iraner, die seit einigen Monaten zu uns
kommen, tragen sozusagen den Stumpf der alten Eiche noch lebendig in sich
herum. Was können wir von ihnen erwarten, das sich bei ihnen ändert? Was werden
sie von ihrem alten Glauben und ihren alten Wertvorstellungen in ihren Herzen
behalten, wenn sie Christen geworden sind (was ihr fester Wille ist)?
Die Apostel
Paulus hat uns mit seinem Wort von der "neuen Kreatur" eine
Idealvorstellung vorgegeben, die uns erwarten lässt, dass jeder neue Christ
schnell und radikal zu den Worten und Lehren Jesu hingezogen wird und sich
radikal ändert. Wir erwarten in gewisser Weise, dass er in kürzester Zeit
lernen wird, vor einer kleinen Gruppe von älteren Christen ein Bibelwort so
auszulegen, dass es die älteren Christen erfreut. Aber kann man das wirklich
erwarten? Muss man nicht an die hier in Lehnin greifbare Kraft des alten Eichenstumpfs des früheren Glaubens
denken?
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