Donnerstag, 19. Januar 2012

Der sorgenvolle Reisende



Im Kibbuz Schefajim, nördlich Tel Aviv

Ein Weg wie der heutige, von Remscheid hierher, ist bei mir immer mit unverhältnismäßig vielen Sorgen gesäumt. Was kann an einem solchen Reisetag nicht alles schiefgehen! Gestern Abend habe ich fast eine Stunde damit verbracht, über das Internet ein Ticket für die Eisenbahn zum Düsseldorfer Flughafen zu bekommen, leider vergeblich. Ich blieb danach mit vielen Fragen allein: würde ich morgens um 4.30 Uhr auf dem eiskaltem Bahnhofsgelände einen intakten Fahrscheinautomaten finden? Was wäre, wenn nicht, die Konsequenz einer Schwarzfahrt, bei der ich erwischt würde? Handschellen, Erst-mal-mit-auf die Wache, Leibeskontrolle? Kann man verspätete Flüge ohne Zuschlag umbuchen, besonders, wenn man reisetechnisch sozusagen vorbestraft ist? Fragen über Fragen.
An solchen Tagen beneide ich die Dauerreisenden, die routiniert und ganz entspannt in Turnschuhen und Jogging-Hosen nach Rio de Janeiro fliegen und immer den Blick aufgesetzt haben „das mache ich jeden Tag so.“ Im nächsten Leben werde ich auch ein solcher Dauerreisender, mich hat es ja eigentlich immer in die Welt hinaus getrieben, ich gehöre von Natur aus zu diesen Leuten!
Die Frage ist nur, ob mich nicht gerade dieser elende Sorgengeist, der mich lange Checklisten aufbauen, verwerfen und wieder neu beginnen lässt, von Anfang an daran gehindert hat (und wieder neu hindern würde, könnte ich mein Leben wiederholen), häufiger mal einen Zug oder ein Auto zu besteigen und einfach weit ins Land hinaus zu fahren.
Ich gestehe meine Feigheit: wenn es einmal geschah, dass eine Reise im letzten Moment abgesagt werden musste, dann bin ich wie ein Kind zur Weihnachtsgabe froh ins Haus zurückgeeilt und habe mein Bett, meine Dusche, meinen Sessel wie das neugewonnene Ziel einer wunderbaren Reise bestaunt.
Heute nun aber Tel Aviv! Alles hat geklappt, das Kibbuz-Hotel ist schön, es liegt auf einer großen Sanddüne am Meer, welche an die große Düne zwischen Westkapelle und Vlissingen in Zeeland / NL erinnert. Nur dass es hier nicht nach Fritten riecht.

2 Kommentare:

Peter Oberschelp hat gesagt…

Der Eintrag ist tröstlich für mich, hatte ich Dich doch immer zu den Turnschuhrioreisenden gezählt - nicht daß Du tatsächlich Turnschuhe tragen würdest - und mich selbst als reisemäßig deklassiert gefühlt, ohne aber über Kafkas Fähigkeit zu verfügen, die Wonnen der Deklassierung zu genießen. Nun sehe ich , die Lücke ist längst nicht so groß wie gedacht, kein Abgrund. Meine größte Sorge ist auch immer, bereits auf der ersten Etappe zu scheitern, also schon zu spät am Flughafen anzukommen.

Nureddin Öztas hat gesagt…

Trinke ein Pfefferminztee, lass es Dir gut gehen. Du bist am Ziel!