Die Synagoge in Kapernaum ist der einzige Ort auf der Welt, an dem man archäologisch nachweisbar sagen kann, daß man sich wenige Meter von einem Platz entfernt aufhält, auf dem Jesus mit Sicherheit gestanden haben muß. Er hat in dieser Synagoge gepredigt, das berichten die Evangelien, und man hat die Synagoge vor einigen Jahren unter den Ruinen eines römischen Tempels (in dem ich hier sitze) wiedergefunden und eindeutig als solche identifiziert. Verglichen mit dieser Synagoge stehen die Kirchen über dem Fels von Golgatha, über dem Stall von Bethlehem und über vielen anderen Erinnerungsstellen nur der Tradition nach fest an ihrem jeweiligen Ort, auch wenn diese Tradition sicher vielfach richtiges Wissen festgehalten hat.
Bei unserem letzten Besuch las hier ein anglikanischer Geistlicher aus den USA mit fester Stimme seiner Gruppe die Geschichte von „Centurion“ vor, dem Hauptmann von Kapernaum, das hat mich damals bewegt. Heute singen Koreaner hier, gleichzeitig wird eine holländische Gruppe von einem sehr sachkundigen Führer eingehend über die Ausgrabungen informiert und eine Gruppe mit Schwarzen aus London stellt sich zum Gruppenbild vor die große Statue des Petrus im Eingang.
Ich gehe in die über dem archäologischen Ruinenfeld des alten Kapernaum schwebenden modernen Kirche und lese an der Wand einige Inschriften von der hier in Kapernaum geschehenen Heilung der Schwiegermutter des Petrus und der dann folgenden weiteren Heilungen.
Ich gehe in die über dem archäologischen Ruinenfeld des alten Kapernaum schwebenden modernen Kirche und lese an der Wand einige Inschriften von der hier in Kapernaum geschehenen Heilung der Schwiegermutter des Petrus und der dann folgenden weiteren Heilungen.
Die Worte enden et omnes male habentes curavit (wörtlich "und alle schlechtes habenden heilte er"). Sie ergreifen mich an diesem Ort, wo Jesus tatsächlich ganz in der Nähe heilte, sehr tief, und mir erscheint der Gedanke plötzlich vollkommen klar, dass in diesen wenigen Worten die ganze Sendung Jesu aufleuchtet, seine Liebe und seine Zuwendung zu Welt. Alles Böse, alles Schlechte – er heilte es.
Eine ältere Schwedin bittet mich in Englisch, ihr die lateinischen Worte zu übersetzen, aber ich bin so gerührt und choked up, dass ich mehrfach neu ansetzen muss, um am Ende zu sagen: all evil, all bad – he cured. Und ich füge hinzu: that is why he came.
Später rede ich mit Christiane, die meine Rührung bemerkt hat. Wenn man es genau betrachtet, so ist die Sendung Christi natürlich viel größer und umfassender als das in einigen Krankenheilungen deutlich wird. Und trotzdem – Menschen sehen immer wieder in dem heilenden Jesus des ganzen Jesus. In der Matthäus-Passion von Bach ist eins der anrührendsten Stücke das „Er hat uns alles wohlgetan“, in dem eine Frauenstimme zu einer sehr schönen Melodie die Wohltaten Jesu an den Menschen besingt und inmitten von Gewalt, Folter und Tod das Bild seiner sanften, den Menschen zugewandten Güte aufleuchten läßt.
Auch der Evangelist Matthäus hat in den Heilungen von Kapernaum etwas Tieferes gesehen. Er kommentiert sie mit einem Hinweis – „damit erfüllt würde“ – auf eine alte Prophezeiung aus Jesaja 53, Er selbst nahm unsere Schwachheiten und trug unsere Krankheiten.
That is why he came.
1 Kommentar:
Ein ehrfurchtsvoller Moment und wie Du dort sitzt, liest man es Dir fast aus Deinem Blick ab, selbst wenn man Deine Zeilen nicht gelesen hätte.
Ich kann Deine Gefühle, Gedanken als Dein "Seelenzwilling" nachempfinden, glaube ich. So erging es mir in Mekka und Medina, so erging es mir auch einige Male woanders. Wahrscheinlich hätte es mir ähnlich ergangen, wenn ich auch dort gestanden hätte. Ergreifende, authentische Momente, sind die Höhepunkte, die der Glauben einem schenkt. Sie sind unbeschreiblich und nur durch einen tiefen, aufrichtigen Glauben nachzuvollziehen. Schade, dass manche Menschen sich dem verschließen. Sie wissen nicht was ihnen entgeht.
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