Trifft man Abraham auf dem Abraham’s Path? Die
touristische Initiative, hinter der u.A. der Autor des berühmten Harvard-Konzeptes, der amerikanische Professor William Ury, steckt,
möchte gerne an den Geist des Erzvaters anknüpfen, der vor Urzeiten aus dem
Norden kommend in dieses schöne Land einwanderte. Gastfreundlich sei er
gewesen, das wird von den in Bethlehem sitzenden Organisatoren hervorgehoben,
und das ist dann auch der Anknüpfungspunkt an das Beste, was dieses Land neben
der Schönheit seiner Natur zu bieten hat: die offene Freundlichkeit seiner
Menschen.
Für einen in der Bibel beheimateten Christen ergeben sich
natürlich weitere Verbindungen zu diesem Weg. Zwar sind die Spuren der Vorväter
weitestgehend verwischt (Tief ist der Brunnen der Vergangenheit, beginnt
Thomas Mann seinen Josephs-Roman, Sollte man ihn nicht unergründlich nennen?),
aber man steht doch immer wieder an Orten, an denen sich die eine oder andere
Geschichte zumindest zugetragen haben könnte.
Der erwähnte Joseph ist in Ägypten gestorben, man hat seine
Gebeine später aber nach Sichem überführt (Buch Josua 24,32), dem späteren
Neapolis und heutigem Nablus. Dort wird sein Grab in einem schlichten Mausoleum
gezeigt, das die palästinensische Polizei schwer bewaffnet bewacht, weil sich
immer wieder Israelis und Muslime in der Verehrung des in beiden Religionen bedeutenden
Stammvaters gegenseitig in die Quere kommen. Fotografieren ist verboten.
Das Grab liegt in einem Gebiet, das dem Alten Testament nach
der Erzvater Jakob von Einheimischen erwarb, ein erster Schritt also vom Leben
des Nomaden weg zum Leben des ortsgebundenen Ackerbauers. Auch das Neue
Testament weiß um diesen Grundbesitz und von dem Brunnen dort, den Jakob grub.
Dieser Brunnen, an dem einst Jesus in der Mittagshitze saß, ist über viele Jahrhunderte nachgewiesen und lädt heute noch im
Untergeschoss einer großen griechisch-orthodoxen Kirche dazu ein, zu verweilen und frisches Brunnenwasser zu trinken.
Hier in diesem Land kreuzen sich die Wege der Erzväter mit
dem Weg Jesu, der schon kurz nach seiner Geburt in Bethlehem nahe Jerusalem über
Abrahams Wege hinauf nach Nazareth im nördlichen Galiläa gezogen ist, auf den Armen seiner Eltern. Später hat
er diese Wege durch das Land Samaria noch öfter gehen müssen, am Ende als letzten Weg hinauf ans
Kreuz.
Ruft der Weg Erinnerungen hervor, an Abraham, an Jesus, an
andere Gestalten der Bibel? Mir erschien es manchmal so zu sein, dass bei der
Begegnung mit einer der unzähligen Schafherden, ein Bild lebendig wurde,
wie Abraham und seine Hirten hier durchziehen, oder wie Jesus da sitzt und
Begriffe aus der Landwirtschaft für seine Reden nutzt, um sein sanftes Evangelium
und seine Selbstzeugnis als guter Hirte zu verdeutlichen.
Manchmal habe ich bei einem Schritt über eine zernarbte
Felsplatte Spuren zu sehen gemeint, die von den Hufen der Schafe über die
Jahrhunderte dort eingegraben worden waren. Und in den Gesichtern der braunen
Hirtenjungen habe ich etwas gesehen, das an die Söhne Jakobs erinnerte oder
später an den Hirtenkönig David.
Es lohnt sich, die Erinnerung an Abraham immer wieder neu
lebendig werden zu lassen. Er ist der Punkt in der Geschichte, auf den sich
alle drei großen Religionen des Buches gemeinsam zurück besinnen. Für sie alle
beginnt der Weg Gottes mit den Menschen mit seiner Offenbarung dem Abraham
gegenüber.
Damals gab Gott eine kurze Arbeitsanweisung* an den Menschen,
die in Hebräisch, Arabisch und nebenbei auch in Türkisch bis heute leicht
verständlich ist: sei tamam, sei vollständig, sei in Ordnung, sei fromm in der
Übersetzung Martin Luthers. (1. Mose 17,1)
Tamam! sagt der Händler in Istanbul, wenn die Ware
vollständig übergeben und ebenso vollständig bezahlt ist. Vielleicht kann die
Wanderung dazu helfen, dass auch über einen selbst wieder tamam gesagt werden
kann.
* ani el-shaddai, hit-halech le-pani ve hejeh tamim,
ich (bin) El Schaddai, gehe vor meinem Angesicht und sei vollständig.
ich (bin) El Schaddai, gehe vor meinem Angesicht und sei vollständig.
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