Sonntag, 3. Februar 2013

Abrahams Weg

Nablus, 24. Januar 2013

Trifft man Abraham auf dem Abraham’s Path? Die touristische Initiative, hinter der u.A. der Autor des berühmten Harvard-Konzeptes, der amerikanische Professor William Ury, steckt, möchte gerne an den Geist des Erzvaters anknüpfen, der vor Urzeiten aus dem Norden kommend in dieses schöne Land einwanderte. Gastfreundlich sei er gewesen, das wird von den in Bethlehem sitzenden Organisatoren hervorgehoben, und das ist dann auch der Anknüpfungspunkt an das Beste, was dieses Land neben der Schönheit seiner Natur zu bieten hat: die offene Freundlichkeit seiner Menschen.


Für einen in der Bibel beheimateten Christen ergeben sich natürlich weitere Verbindungen zu diesem Weg. Zwar sind die Spuren der Vorväter weitestgehend verwischt (Tief ist der Brunnen der Vergangenheit, beginnt Thomas Mann seinen Josephs-Roman, Sollte man ihn nicht unergründlich nennen?), aber man steht doch immer wieder an Orten, an denen sich die eine oder andere Geschichte zumindest zugetragen haben könnte.
Der erwähnte Joseph ist in Ägypten gestorben, man hat seine Gebeine später aber nach Sichem überführt (Buch Josua 24,32), dem späteren Neapolis und heutigem Nablus. Dort wird sein Grab in einem schlichten Mausoleum gezeigt, das die palästinensische Polizei schwer bewaffnet bewacht, weil sich immer wieder Israelis und Muslime in der Verehrung des in beiden Religionen bedeutenden Stammvaters gegenseitig in die Quere kommen. Fotografieren ist verboten.
Das Grab liegt in einem Gebiet, das dem Alten Testament nach der Erzvater Jakob von Einheimischen erwarb, ein erster Schritt also vom Leben des Nomaden weg zum Leben des ortsgebundenen Ackerbauers. Auch das Neue Testament weiß um diesen Grundbesitz und von dem Brunnen dort, den Jakob grub. Dieser Brunnen, an dem einst Jesus in der Mittagshitze saß, ist über viele Jahrhunderte nachgewiesen und lädt heute noch im Untergeschoss einer großen griechisch-orthodoxen Kirche dazu ein, zu verweilen und frisches Brunnenwasser zu trinken.
Hier in diesem Land kreuzen sich die Wege der Erzväter mit dem Weg Jesu, der schon kurz nach seiner Geburt in Bethlehem nahe Jerusalem über Abrahams Wege hinauf nach Nazareth im nördlichen Galiläa gezogen ist, auf den Armen seiner Eltern. Später hat er diese Wege durch das Land Samaria noch öfter gehen müssen, am Ende als letzten Weg hinauf ans Kreuz.
Ruft der Weg Erinnerungen hervor, an Abraham, an Jesus, an andere Gestalten der Bibel? Mir erschien es manchmal so zu sein, dass bei der Begegnung mit einer der unzähligen Schafherden, ein Bild lebendig wurde, wie Abraham und seine Hirten hier durchziehen, oder wie Jesus da sitzt und Begriffe aus der Landwirtschaft für seine Reden nutzt, um sein sanftes Evangelium und seine Selbstzeugnis als guter Hirte zu verdeutlichen.
Manchmal habe ich bei einem Schritt über eine zernarbte Felsplatte Spuren zu sehen gemeint, die von den Hufen der Schafe über die Jahrhunderte dort eingegraben worden waren. Und in den Gesichtern der braunen Hirtenjungen habe ich etwas gesehen, das an die Söhne Jakobs erinnerte oder später an den Hirtenkönig David.
Es lohnt sich, die Erinnerung an Abraham immer wieder neu lebendig werden zu lassen. Er ist der Punkt in der Geschichte, auf den sich alle drei großen Religionen des Buches gemeinsam zurück besinnen. Für sie alle beginnt der Weg Gottes mit den Menschen mit seiner Offenbarung dem Abraham gegenüber.
Damals gab Gott eine kurze Arbeitsanweisung* an den Menschen, die in Hebräisch, Arabisch und nebenbei auch in Türkisch bis heute leicht verständlich ist: sei tamam, sei vollständig, sei in Ordnung, sei fromm in der Übersetzung Martin Luthers. (1. Mose 17,1)
Tamam! sagt der Händler in Istanbul, wenn die Ware vollständig übergeben und ebenso vollständig bezahlt ist. Vielleicht kann die Wanderung dazu helfen, dass auch über einen selbst wieder tamam gesagt werden kann. 

* ani el-shaddai, hit-halech le-pani ve hejeh tamim,
ich (bin) El Schaddai, gehe vor meinem Angesicht und sei vollständig.

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