Die zu
Herzen gehende Fröhlichkeit der Kinder, die uns in den Dörfern geradewegs so begrüßen,
als rollte mit uns eine Art Tour-de-France-Etappe durch das Land, macht es
schwer, nicht in den Ton der üblichen Standardberichte zu verfallen. Sie haben
wenig, aber sie lachen immer und teilen mit Dir noch das letzte, was sie haben. Wie oft hat man das gehört, und dann die Fotos vom bleichen alten
Mitteleuropäer gesehen, inmitten einer Schar lachender brauner Kinder.
Nein, dieses Klischee will ich unter allen Umständen vermeiden. Ich will erzählen, dass sie alle etwa ab dem dritten Schuljahr offenbar genug Englisch gelernt haben, um How are you?, and What is your name? fragen zu können, die Älteren können sogar schon recht vernünftige Gespräche mit einem führen. Das ist bemerkenswert, weil das Erlernen der englischen Sprache ja mit dem Einstudieren des lateinischen Alphabets einhergeht – eine schwierige Übung, die der gut nachvollziehen kann, der einmal Griechisch oder Russisch zu lernen versucht hat. Natürlich ist außerdem der Sprung vom semitischen Arabisch mit seinen runden Schriftzeichen zum westeuropäischen, lateinisch geschriebenen Englisch ungleich schwerer als unser Übergang vom Deutschen zu der vielfach verwandten Schwestersprache der Briten. In Palästina lernen die Kinder seit einiger Zeit vom ersten Schuljahr an Englisch und müssen sich also von Anfang an mit zwei Schriften herumschlagen.
Nein, dieses Klischee will ich unter allen Umständen vermeiden. Ich will erzählen, dass sie alle etwa ab dem dritten Schuljahr offenbar genug Englisch gelernt haben, um How are you?, and What is your name? fragen zu können, die Älteren können sogar schon recht vernünftige Gespräche mit einem führen. Das ist bemerkenswert, weil das Erlernen der englischen Sprache ja mit dem Einstudieren des lateinischen Alphabets einhergeht – eine schwierige Übung, die der gut nachvollziehen kann, der einmal Griechisch oder Russisch zu lernen versucht hat. Natürlich ist außerdem der Sprung vom semitischen Arabisch mit seinen runden Schriftzeichen zum westeuropäischen, lateinisch geschriebenen Englisch ungleich schwerer als unser Übergang vom Deutschen zu der vielfach verwandten Schwestersprache der Briten. In Palästina lernen die Kinder seit einiger Zeit vom ersten Schuljahr an Englisch und müssen sich also von Anfang an mit zwei Schriften herumschlagen.
Nein, und
arm sind sie auch nicht. Sie sind dörflich gekleidet, tragen vielfach einfache Pullover
und Jacken, die sie offenbar nur für ein paar Monate benötigen, der Winter hier
ist kurz und relativ warm. Was ihre Eltern an Tee und Säften hervorzaubern, wenn man nur einen
Augenblick vor einem Haus stehen bleibt, würde mit seinem kräftigen ländlichen
Geschmack auf jedem europäischen Wochenmarkt die Käufer begeistern, nicht zu
reden von dem grüngolden schimmernden Olivenöl, in das man sein Brot tunkt und
dem frischen weißen Joghurt-Quark, dessen feine Säure auch französische
Gourmets zufriedenstellen würde.
Ich denke auf
unseren Wegen oft an den rätselhaften biblischen Begriff der anawim,
(ענוים) der Kleinen und Gebeugten, die ihr Leben in Sanftmut verbringen und denen versprochen wird, dass sie das Land besitzen werden. Gebeugt sind die Kinder in Palästina in dem Sinne, dass die große Weltpolitik ihnen nur eine Randexistenz zugesteht, eingeschränkte Möglichkeiten, eines Tages ferne Länder zu erkunden oder politisch frei über ihre Angelegenheiten zu bestimmen.
(ענוים) der Kleinen und Gebeugten, die ihr Leben in Sanftmut verbringen und denen versprochen wird, dass sie das Land besitzen werden. Gebeugt sind die Kinder in Palästina in dem Sinne, dass die große Weltpolitik ihnen nur eine Randexistenz zugesteht, eingeschränkte Möglichkeiten, eines Tages ferne Länder zu erkunden oder politisch frei über ihre Angelegenheiten zu bestimmen.
Einen Hirten
sah ich, fern in einem Tal, der inmitten einer bukolischen Idylle von Schafen
und Olivenbäumen in terrassierten Gärten sein Nachmittagsgebet verrichtete. Ich
dachte daran, dass der Prophet Mohammed in Sure 21, 105 den Psalm 37 zitiert, in dem in
vierfacher Weise das Versprechen gegeben wird, dass Gott die Erde anders
verteilt, als die Mächtigen uns das glauben machen wollen. Im Koran wird die
dritte (Vers 29) dieser vier Psalmstellen wiedergegeben: „die Gerechten werden das
Land besitzen“, Jesus übernimmt die erste Stelle (Vers 11) für seine
Bergpredigt und sagt: „die Sanftmütigen werden das Land besitzen.“
In der
Verwendung dieses Psalms liegt die einzige wörtliche Schnittstelle aller drei
Bücher der abrahamitischen Religionen. Hinter diesen Worten steht also die
Autorität dreier großer Weltbücher. Man darf deshalb fragen, ob hier nicht eine
Verheißung verkündet wird, die nicht erst in ferner Zukunft wahr wird, sondern
eine verborgene Wirklichkeit beschreibt, die schon heute gilt. Gehört diesem Schäfer, der unten im Tal sein Gebet verrichtet,
das Land nicht in einem viel stärkeren und tieferen Sinne als den
israelischen Kampfjets, die immer wieder weithin hörbar das Land überfliegen
und es für sich reklamieren? Ich sah
halbwüchsige Kinder in einem Hain mit Obstbäumen und Oliven eine Schafherde hüten und
spürte, wie sie in einem ganz tiefen Sinn hier zu Hause waren, mit dem Boden
verwurzelt, die wahren Eigentümer des Landes.
Natürlich
sollte man für die Verbesserung ihrer Lebensumstände sorgen, für ihre Erziehung, sollte es ihnen
ermöglichen, tüchtige Ingenieure, Lehrer und Ärzte zu werden. Aber werden sie
die Fülle des menschlichen Lebens und seiner Möglichkeiten besser erfahren können,
wenn sie das moderne Ziel erreichen, eine Vierzimmerwohnung im dritten Geschoss
in einem der Ballungszentren der modernen Welt zu beziehen und von dort morgens im grauen Nebel losziehen können, um in
einer der großen Industrieanlagen zu arbeiten?
Ich bezweifle
das. Ich schaue mich staunend um – und sehe die Kinder Gottes, denen er bereits
jetzt das Land vererbt hat, ganz unabhängig von jeder politischen Ordnung.
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