Dienstag, 5. Februar 2013

Cristiano Ronaldo

Nablus 23. Januar 2013

Studenten, die wir am nächsten Tag auf dem Garizim treffen
Im übervollen Studentencafé an einer der Hauptstraßen in Nablus finden Gerd und ich mit Mühe einen Platz in der hintersten Ecke, bestellen einen Tee und atmen den Dampf der überall blubbernden Wasserpfeifen ein. Schnell ist der Kontakt zu den jungen Männern am Nebentisch hergestellt, eine Partie Backgammon begonnen, und schon bald dreht sich das Gespräch um das wichtigste Thema der Welt, Fußball.

Auch in Palästina steht wie in vielen Ländern der Welt der spanische Fußball obenan und innerhalb der Primera Division natürlich die beiden Mannschaften von Real Madrid und vom FC Barcelona. Ich bekenne mich dazu, die Madrilenen zu bevorzugen und werde von der Hälfte der Studenten mit Schulterklopfen als einer der ihren angenommen (allgemein verschafft es mir im weiteren Verlauf der Reise immer wieder Respekt, dass sich mein Name irgendwie nach Cristiano Ronaldo anhört).
Später wechseln wir zu ernsthafteren Themen. Alle machen deutlich, wie hinderlich und ungerecht sie die harte Hand der israelischen Kontrolle über das Land empfinden. Einen Weg für einen fairen Ausgleich mit den Israelis sehen sie nicht. Frieden wollen sie, aber wie man dahin kommt, das ist ungewiss.

Ich frage, auf was sie um des Friedens willen verzichten würden, und erzähle, ohne auf die Antwort zu warten, von deutschen Verzicht auf die Ostgebiete, male zur Veranschaulichung eine Deutschlandkarte auf ein Stück Papier, rühme den Frieden mit Polen. Man hört mir höflich zu, urteilt dann aber schnell, dass hier im Land die Verhältnisse nicht mit Deutschland und Polen vergleichbar seien.

Ein junger Student hat einen Großvater, der 1948 aus seinem Haus in Haifa vertrieben wurde. Dorthin möchte er, der Student, zurück, auch um den Preis eines halben Weltkriegs mit entsprechendem Völkerelend. Nein, verzichten auf das, was einem gehört, das will man auf keinen Fall.

Die Stimmung ist emotional aber trotzdem in keiner Weise kämpferisch oder so aufgeladen, wie man es von Fernsehbildern her kennt. Dies sind keine Dschihadisten, eher Menschen, die das herrschende System täglich auf neue Geduldsproben stellt und in denen das Bewusstsein wach ist, dass die aktuelle Besatzungssituation Unrecht ist.

Am Ende des Abends verabschieden wir uns als Menschen mit unterschiedlicher Meinung, was den Verzicht anbetrifft, insgesamt aber in großer Herzlichkeit.

Später im Hotel denke ich, man hätte Real Madrid ins Spiel bringen sollen! Wenn ein großer Krieg am Ende auch zur Unterbrechung wichtiger Sportereignisse führen würde, oder sogar - nicht auszudenken! - zum partiellen Zusammenbruch von Fernsehen und Internet, würde man dann trotzdem den Kampf für Haifa fortsetzen wollen?

Irgendwie erscheint mir das volle Gewicht der Vorteile einer friedlichen Lösung des Konfliktes noch nicht in die Waagschale geworfen worden zu sein.

1 Kommentar:

Peter Oberschelp hat gesagt…

... sich mein Name irgendwie nach Cristiano Ronaldo anhört: Ja, das ist wahr, man könnte sich eine weitere schrittweise Annäherung vorstellen: Ronkel, Ronel, Roneld - das reicht:

CHRISTIAN RONELD