Golan, 20. Janaur 2013
"Israel
is a fake“, Israel ist eine Fälschung, sagt Falid, der etwa 30jährige Druse in
Katzrin, dem Hauptort der 1967 eroberten Golanhöhen auf der Ostseite des Sees
Genezareth. Falid leitet eine kleine Kantine für die Leute aus dem umliegenden
Industriegebiet und öffnet sie auch für andere Besucher wie uns. Falids Eltern
wurden israelische Staatsbürger, und so besitzt Falid ebenfalls einen
israelischen Pass, möchte aber lieber heute als morgen auswandern. „Israel
erzieht seine Kinder zur Desintegration“, sagt er, die Juden würden in dem
Bewusstsein aufgezogen, etwas Besseres zu sein.
„If Israel was Serbia, we'd have
bombed Israel into the stone age 30 years ago,” wenn Israel Serbien wäre, hätte
wir es schon vor 30 Jahren zurück in die Steinzeit gebombt, schreibt Marc, der
43jährige Regierungsangestellte aus Washington, in einer hitzigen
Facebook-Diskussion mit Israelis und Palästinensern. Er ist – zusammen mit
jüdischen Freunden in den USA – der Meinung, dass Israel seine Machtposition
missbraucht und sich mehr und mehr zu einem Unrechtsregime entwickelt.
Sein
Argument, das sicherlich vielen Palästinensern aus der Seele spricht: ein
Existenzrecht hat nur der Staat, der es sich verdient.
Warum höre
ich diese Meinungen mit Bauchschmerzen? Als ein kurz nach dem Weltkrieg
geborener Deutscher, dessen Volk eine lange, dunkle Geschichte mit den Juden
hat, kann ich mich vermutlich besser in die Gefühle der älteren Israelis
hineinversetzen, die um alles in der Welt das eine Wollen: dass die Existenz
ihres Volkes an keine Bedingungen geknüpft wird, nicht an eine einzige.
Marc mag
Recht haben – ein Unrechtsstaat verspielt sein Recht auf internationale
Anerkennung, aber kann man das auf einen Staat beziehen, der sich zuallererst
als Gemeinwesen eines Volkes versteht dessen Existenz zu allen Zeiten immer
wieder brutal von außen in Frage gestellt worden ist?
Mit etwas
Verwunderung habe ich den festen Willen einer ganzen Reihe von jungen
Palästinensern erlebt, eines Tages die alte palästinensische Stadt Haifa von
Israel zurückzufordern. Mein friedensbewegter israelischer Freund Avi hat
entsetzt auf entsprechende Äußerungen verschiedener Leute in Facebook reagiert.
Er hat es nicht gesagt, aber gedacht hat er es sicher: wenn solche Gedanken in
großen Teilen des palästinensischen Volks lebendig sind, dann ist jeder
Friedensschluss Betrug, weil er formell einen Status Quo festschreibt, den man
heimlich am Ende doch wieder beseitigen will.
Und wenn der
Wille zum Frieden in Wirklichkeit gar nicht vorhanden ist, dann muss man
–fürchterlicher Gedanke für den friedensliebenden Avi – dem israelischen
Regierungschef Netanyahu Recht geben, der aus seinem Misstrauen den
Palästinensern gegenüber heraus gar nicht erst mit ihnen redet und nur
notdürftig versteckt die Annektierung der besetzten Gebiete betreibt.
Gibt es
einen Ausweg? Unter rational denkenden Menschen ist eine Reihe von Strategien
denkbar. Aber denken die Konfliktparteien rational? Nach meinem Eindruck tun
sie das nicht, weshalb man den Weg über die Emotionalität des anderen gehen
muss, um zum Ziel zu kommen. Ich denke hier an Hamze, der als junger
palästinensischer Student das Holocaust-Memorial Yad Vashem besucht und die
tiefe Verletzung der Juden verstanden hat. Das ist der Verstehensweg, den viele
Palästinenser wohl noch vor sich haben. Und umgekehrt muss es vielleicht
Israelis geben, die mit einem staaten- und rechtlosen Palästinenser einmal den
erniedrigenden Weg durch die Check Points mit ihren Käfigen zu machen, um in
die Seele des anderen zu schauen.
Und dann
müssen Leute von außen kommen, die in Freundschaft ein ungeschminktes Bild von
den heute möglichen Wegen zeichnen. Vielleicht können es die Türken, vielleicht
können es die Türken und wir Deutschen gemeinsam. Und zu diesen Wegen gehört
auf palästinensischer Seite die Bereitschaft zum Verzicht und auf israelischer
Seite der Wille, die Palästinenser als Brüder anzuerkennen, deren Freiheit und
deren Wohlergehen Staatsziel Israels sein müssen.
Haifa muss
den Juden gehören und die Zukunft in einem eigenen freien Staat den
Palästinensern.
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