Auf dem mühsamen Weg zum 1.711 m hohen Paß*, hinter dem der idyllische Bergsee „Lac de Melo“ die schroff gezackten Gipfel des Lombarduccio (2.261 m) und des Punta alle Porta (2.313 m) spiegelt, treffen wir drei chinesische Studenten, ein Mädchen und zwei Jungen. Mal laufen sie in ihren dünnen Turnschuhen vor uns her, mal hinter uns, immer leichtfüßig, ihnen scheinen die groben Steine auf dem Weg keine Probleme zu bereiten. Oben am See angekommen haben wir Zeit, miteinander zu reden, und sie tippen mir zum Abschied ihre Namen in mein iPhone und auch die Provinzen, aus denen sie kommen. Ich gebe die Namen hier leicht verändert wieder, weil ich nicht sicher weiß, ob alles, was sie uns erzählt haben in ihrer Heimat für politisch korrekt gehalten wird. Es sind Min Shien aus Shan Dong, Ye Mingau aus Zhe Jiang und die hübsche Yu Qangyi aus Hu Bei.
Foto von links: Ye Mingau, Yu Qangyi, Min Shien
Beim Rückweg treffen wir sie dann erneut am Parkplatz und laden sie ein, den von hier aus etwa 10 km langen Rückweg in die Stadt in unserem Auto mitzufahren.
Sie studieren in Corte, im zweiten Jahr, Management, und haben sich hier kennengelernt. Ihre Muttersprachen sind so unterschiedlich, daß jeder mit seinen Eltern telefonieren kann, ohne daß einer der anderen beiden etwas versteht. Untereinander sprechen sie „Chinese“, das ist – sagen sie mir auf meine Rückfrage hin – Mandarin. Shien hat auch Deutschland besucht, „I was in Cologne, and in the country of Max,” sagt er. Max? „Yes, a city called Tee, or so!“ Ich brauche lange, um herauszufinden, daß er in Trier war, bei Marx.
Den hat er, wie alle Chinesen, sagt Shien, in der Schule studiert. Ob seine Kinder ihn noch lesen werden? Vermutlich nein, sagt er. Und fehlen wird er den Kindern auch nicht, meint er. Aber zu seinem Leben und zu seiner Entwicklung gehört er nun einmal, dazu steht er.
Er und die anderen stehen auch zur staatlichen Geburtenpolitik. Alle drei sind Einzelkinder, den Eltern war nur je ein Kind erlaubt. Man selbst wird vielleicht später einmal zwei haben dürfen, als Einzelkind kann man dieses Privileg bekommen. Und eine ungewollte dritte Schwangerschaft? Shien kennt das englische Wort „abortion“ nicht, aber auf etwas in diese Richtung wird es wohl hinauslaufen.
Die drei werden Berufe ergreifen, in denen ihre Kenntnisse des europäischen Lebens und unserer Sprachen und Gewohnheiten eine Brückenfunktion bilden werden. Am Ende verpflichten wir uns lachend gegenseitig auf die Einhaltung des Friedens zwischen Ost und West. Ich sage offen, daß mir die martialischen Massenchoreographien bei er Eröffnung der Olympiade ein wenig Angst gemacht haben. Sie lachen – nein, „that is only show“.
Im warmen Schein der Abendsonne und im Frieden der Bergwelt will man es gerne glauben.
* ich gebrauche das Wort natürlich nur als Anklang an das bekannte Lied mit dem Kontrabaß, in Wirklichkeit ging es hinter dem Zwischengrat, an dem der See lag, noch weiter hoch, und es war, wenn überhaupt, nur ein Paß für Fußgänger.
Samstag, 18. September 2010
Drei Chinesen auf dem Korsenpaß
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen