Freitag, 10. September 2010

Moi, je suis Corse






Es ist fast fünfzig Jahre her, da nahm der Vater uns Kinder unweit der französisch-belgischen Grenze mit in ein Gasthaus, welches von einem korsischen Wirt geführt wurde. Wir waren auf der Rückfahrt von einem Bretagne-Urlaub und machten mit unserem Wohnwagen auf halbem Weg nach Hause Station. Ich erinnere mich noch an das gulasch-ähnliche Gericht, das man uns mit großen Worten als korsische Nationalspeise und damit als eins der vorzüglichsten Rezepte der ganzen Welt anpries, das sich dann aber als eine eher breiige Masse erwies, die durch ein Übermaß an schwarzen Oliven leicht bitter schmeckte. Das Ganze konnte außerdem nur sehr langsam gegessen werden, weil man die einzelnen Olivensteine mühsam abnagen und ausspucken mußte, für uns Kinder damals eine unverständlich unbequeme Art zu essen.

Der Wirt hatte beim Lob seines Gerichtes auch immer wieder auf seine eigene Abstammung von der Insel Korsika hingewiesen. Moi, je suis Corse! sagte er mit leuchtenden Augen, gerade so, als ob diese Tatsache eine der ebenfalls vorzüglichsten menschlichen Eigenschaften der Welt bezeichnete. Moi, je suis Corse! wurde dann das Lieblingswort meines Vaters, das er, der selbst ein Hobbykoch war, immer dann feierlich aussprach, wenn er etwas Gutes gekocht hatte und seinen Stolz darüber ausdrücken wollte. Er sagte es auch, wenn es ein rein deutsches Gericht war.

Moi, je suis Corse! wurde außerdem später das familieninterne Scheltwort, wenn es darum ging, ein Mitglied der Familie oder der näheren Verwandtschaft wegen seines übergroßen Selbstbewußtseins zu imitieren und damit zu tadeln. Es galt bei uns als unchristlich, die eigene Ehre zu suchen, und sei es die nationale. Zwar besaß mein Vater einen nicht unbeträchtlichen Nationalstolz, er wäre aber wohl nie auf die Idee gekommen, im Kreis von Menschen anderer Nationalitäten Ich bin Deutscher! zu sagen und wie selbstverständlich zu erwarten, daß alle anderen jetzt in Ehrfurcht verstummen.

Ab Samstag werden wir unseren Urlaub auf der Insel Korsika verbringen, welche von den Griechen Kalliste, die Schönste, genannt wurde. Mit Höhen bis zu 2.700 m ist sie ein Gebirge im Meer wie Maupassant gesagt hat. Vielleicht läßt sich dort Christianes Wunsch nach einem Urlaub am Meer und mein zeitlebens damit im Konflikt stehender Wunsch nach einem Urlaub in den Bergen endlich auf milde Art versöhnen.

Wie auch immer - ab morgen gilt für mich: Moi, je suis Corse!



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