Samstag, 26. September 2015

Von der Freude am Schreiben


Völs am Schlern

Der Schlern und das Dorf Völs
Es wäre sicherlich schöner für mich, ich könnte anhand der Seitenaufrufe aus meiner Blog-Statistik von der Freude am Lesen schreiben, die eine große Zahl von Besuchern meines Blogs empfindet. So wie die Sache allerdings derzeit steht, sind die Seiten aus meinem Urlaub jeweils nur etwa 30 mal angeklickt worden, maximal etwas mehr als 50 mal. Keine besonders große Zahl an Lesern also.
Deshalb schreibe ich hier lieber von der Freude am Schreiben und von mir selbst. Ich muss dabei zunächst berichten, dass sich in diesem Urlaub eine resignative Gewissheit eingestellt hat, dass ich altersbedingt nicht mehr so lange schlafen kann wie in jüngeren Jahren. Ich werde meist nach vier Stunden Schlaf wieder hellwach und falle danach oft nur mit Mühe in einen flachen, von wirren Träumen und krausen Gedanken gestörten Schlaf. Damit ist insgesamt allerdings recht gut zu leben, denn die Phasen der Bettruhe im Wachzustand reichen offenbar aus, um am Tag nicht von einem beständigen Müdigkeitsgefühl begleitet zu werden.


Leider ist aber in diesem Urlaub noch eine andere Störung hinzugekommen. Irgendwie hat mich das beständige Nachdenken über die Flüchtlinge in Deutschland zusätzlich um den Schlaf gebracht. Das ist mir sicherlich nicht alleine so gegangen. Man liegt nachts wach und denkt, wird unser soziales Netz all diese Menschen auffangen können? Wird der Neid der anderen armen Leute, die schon länger von diesem Netz abhängen, zu Spannungen und Auseinandersetzungen führen? Welche Rolle kann ich persönlich in dieser großen, erstaunlichen Welle von Barmherzigkeit übernehmen?
Am Ende der Ferien kam dann noch die Meldung von den Betrügereien bei Volkswagen. Ähnlich wie bei Flüchtlingen und sozialem Netz erschien mir auch hier eine fundamentale Gefährdung unserer deutschen Ur-Sicherheiten aufzuscheinen, an die wir uns gewöhnt hatten.

Vor einigen Wochen hatte ich etwas über die dunklen Stimmungen des amerikanischen Schriftstellers David Foster Wallace gelesen. Er hat sich mit 45 Jahren aus einer tiefen Depression heraus das Leben genommen. In einer berühmt gewordenen Rede vor Studenten "This Is Water" hat er zwei Jahre vor seinem Tod nach meinem Eindruck einen möglichen Kern seiner Depressionen selbst geschildert. Er spricht dort von der Angst, dass man sich selbst als eine Art von Betrug empfindet und immer damit rechnen muss, dass die Mitmenschen das herausfinden.

"Worship your intellect, being seen as smart, you will end up feeling stupid, a fraud, always on the verge of being found out." 

Ich habe mich gefragt, was mir dagegen hilft, nicht selbst in solche Verdächtigungen zu geraten. Wer bin ich? Und auch: wer sind wir Deutschen? Sind wir vielleicht nicht nur als einzelne, sondern auch im Kollektiv in Gefahr, ein solcher fraud zu sein, von dem Wallace schreibt? Ich komme hier nicht zur Ruhe.
Ein Heilmittel waren dann aber die gelegentlichen Artikel hier im Blog. Sie machen mir Freude, sie erzeugen in mir Wirkungen einer Schreib-Therapie, die zwar nicht lange anhalten, die aber eine kleine Insel der Ruhe und Ordnung in ein Meer von ungeordneten Gedanken bringen.

Wenn man schreibt, zieht man eine Serie von Holzperlen auf einen Faden, verfolgt einen einzigen Gedanken über mehrere Stationen und gibt ihm eine wenn auch nur vorläufige, aber doch ansatzweise fertige Form.

Am Ende klickt man befriedigt die Schaltfläche „Veröffentlichen“ – und kann sich einige Momente lang an einer heiteren Ruhe im Kopf freuen. Auf den Erfolg beim Leser kommt es dann nicht mehr an.
Obwohl – wenn Du dies bis zu Ende gelesen hast, lieber und verehrter Leser, dann bin ich Dir tief zu Dank verpflichtet, dass Du meinen Gedanken zugehört hast. Vielleicht helfen sie Dir, dass auch in Deinem Kopf ein wenig Ruhe und Frieden einkehrt – so wie jetzt in meinem.

1 Kommentar:

Peter Oberschelp hat gesagt…

Writing keeps me at my desk, constantly trying to write a perfect sentence. It is a great privilege to make one’s living from writing sentences. The sentence is the greatest invention of civilization. To sit all day long assembling these extraordinary strings of words is a marvelous thing. I couldn’t ask for anything better. It’s as near to godliness as I can get.