Istanbul, 9.
September 2012
In der Prinz-Mehmet-Moschee, die Süleyman der Prächtige für seinen mit 22 Jahren verstorbenen Sohn bauen ließ, hat der berühmteste Architekt der Türkei, der Baumeister (Mimar) Sinan ein Prinzip angewandt, das ich heute für mich selbst entdeckt habe. Ich habe bisher noch keinen Hinweis darauf in einem Reiseführer gefunden, aber ich glaube, dass ich etwas Richtiges gesehen habe: Sinan lässt Säulen verschwinden.
Prinz-Mehmet-Moschee |
In der Prinz-Mehmet-Moschee, die Süleyman der Prächtige für seinen mit 22 Jahren verstorbenen Sohn bauen ließ, hat der berühmteste Architekt der Türkei, der Baumeister (Mimar) Sinan ein Prinzip angewandt, das ich heute für mich selbst entdeckt habe. Ich habe bisher noch keinen Hinweis darauf in einem Reiseführer gefunden, aber ich glaube, dass ich etwas Richtiges gesehen habe: Sinan lässt Säulen verschwinden.
Natürlich
sich die vier wuchtigen Abstützungen der Kuppel in seinen Moscheen klar zu
sehen, aber Sinan nimmt ihre erdenschwere Wirkung dezent zurück und lenkt den
Blick von ihnen ab und hinauf auf die zentrale Kuppel und ihre halben und
gedrittelten Seitengewölben. In der Süleymaniye – für viele Istanbuler die
schönste Moschee der Stadt – hat er die Säulen rechteckig gemacht und hat sie
unter weitestgehendem Verzicht auf Verzierungen in einem einfachen Weiß gehalten.
Hier in der Moschee des Schehzade,
des Prinzen, haben sie einen etwas auffälligeren achteckigen Querschnitt, sind
aber auf gleiche Weise unauffällig gestaltet, indem sie bis zum Ansatz des
ersten Bogens zu den Seitenschiffen hin aus einem graubraunen Naturstein bestehen,
der ebenfalls fast gänzlich unverziert ist. Erst in etwa 5 m Höhe beginnen die
Farben und die vielfältigen Ornamente.
Sinan
scheint offenbar zu sagen: schaut nicht auf die schweren Säulen, schaut auf die
Zentralkuppel, auf die Seitenkuppeln und auf ihre Schmuck und ihre Leichtigkeit.
Schaut hinauf! Dagegen hat der Baumeister von Sultan Ahmet, der „Blauen“
Moschee, im Farbrausch auch die runden Säulen bis auf den Boden hinunter blau verfliest
und ihnen damit ein Gewicht gegeben, das
den Blick des Besuchers sehr viel stärker unten hält.
Gelobt sei Mimar
der Baumeister Sinan! Über seine Herkunft weiß man wenig. Er wurde 1489 geboren und lebte fast 100 Jahre lang. Einiges spricht dafür,
dass seine Eltern Christen waren. Wie
auch immer: ihm gehört meine herzliche Bewunderung.
In der
Fatih-Moschee, die als erste neue Moschee in Istanbul noch vor den Bauten
Sinans entstanden ist, hält mir der 75jährige Raschid nach dem Nachmittagsgebet
eine kleine Predigt über die Bedeutungslosigkeit aller Bauten. Gott wohnt nicht,
sagt Raschid mit schönem schwäbischen Akzent (er war 30 Jahre in Stuttgart), in den Steinen. „In
Sche-tein“ sagt Raschid. Wir können uns die Steine 100 Jahre lang ansehen, ohne Gott
zu finden. Er wohnt in einem Herzen, das demütig Gott sucht und ihn einläßt. Indem
er das sagt, deutet er die Gebetshaltung des frommen Moslems an. Ich lasse mir
seinen Missionierungsversuche gefallen, er hat ja auf seine Weise Recht.
1 Kommentar:
schön zusammengefasst..
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