Samstag, 13. Oktober 2012

Ein kleines Dorf mit einer Moschee


Kırşehir, 13. Oktober 2012

In dem Dorf Terziali in den Baran-Bergen oberhalb von Kırşehir gibt es weder Handyempfang noch Internet. Ich kann der Welt nichts mitteilen, bekomme aber über den Fernseher im Wohnzimmer beständig Nachrichten zugesandt, das ist eine einseitige Sache! Aber ich bin ja wegen der Natur hier, der weiten Räume und der frischen Luft, der guten Dinge auf dem Tisch und vor allem wegen der freundlichen Menschen aus Necattins Familie.




Necattins Schwiegervater Riza hat in dem 30-Häuser-Dorf einen Bauernhof mit Kühen und Schafen, Getreidefeldern und großen Gärten, aus denen er sich weitestgehend selbst versorgen kann. Die wunderbaren Tomaten, die wir zum Frühstück bekommen, hingen vor ein paar Stunden noch am Strauch, Butter und Joghurt sind in Mutter Sebahats Küche entstanden, ebenso die Brotfladen. Das Fleisch stammt von den eigenen Tieren.
Wir gehen aus dem Dorf etwa eine Viertelstunde hinaus zum Obstgarten, der an einer Quelle gelegenen ist, um dort einen Sack Äpfel abzuernten. Auf dem Rückweg beschließen wir einen Umweg über die runde Kuppe des Berges zu machen, der das Dorf überragt. Der Weg führt an den Feldern hinauf, die wie überall in dieser Gegend ab einer gewissen Höhe in eine kahle Hochfläche übergehen, die beweidet wird. Hier geschieht dies durch eine etwa 50 Kühe starke Dorfherde, die ein Onkel Necattins als Hirte betreut. Wir sehen die Tiere erst als wenige kleine Punkte hoch oben am Berg, treffen dann aber auf immer mehr braune hübsche Kühe, die Onkel Ali im Begriff ist, zu Tal und in die Ställe zu treiben.   
Der Berg erweist sich aus der Nähe als höher und beschwerlicher als es zunächst scheinen will. Das Dorf liegt auf etwa 1.300 m, der Berg überragt es um weitere etwa 300 m. Die Vegetation ist ähnlich wie in den steinigen Partien oberhalb der Baumgrenze in den Alpen reicher als es der graubraune Farbton aus der Entfernung vermuten läßt. Die Kühe finden also ihr Futter, wenn auch unter etwas mehr körperlicher Arbeit als ihre Schwestern im fetten Gras Deutschlands. Sie wachsen deshalb nicht über 500 kg, was den Schwiegervater Riza skeptisch sein läßt, ob der EG-Beitritt für die türkischen Bauern Vorteile bringen würde. Dort nämlich schaffen es die Bauern 800 kg schwere Tiere zur Schlachtung heranzuzüchten, und Riza fragt sich, wie die das machen. Das Fleisch, das er bei seinen Besuchen in Deutschland in den Metzgereien gesehen hat, hat ihm nicht gefallen. Fleisch muss dunkel sein, sagt er.

Schwiegervater Riza
Unten im Dorf schallt uns aus den Häusern und Gärten immer wieder ein freundliches hoş geldiniz entgegen, herzlich Willkommen. Alle haben hier Verwandte, die wie wir aus weiter Ferne immer wieder mal zu Besuch kommen, aus Ankara, Istanbul oder eben aus Deutschland. Es sind viele ältere Leute hier. Die jungen Familien wohnen meist in einer nahen kleinen Stadt auf dem Weg nach Kırşehir, so wie Rizas ältester Sohn, der mit seinem Vater in einer zweiten Stallanlage dort zusammen die Viehwirtschaft besorgt. Die Dorfschule hier in Terzi Ali, in die Habibe ging, ist seit einigen Jahren geschlossen.
Die kleine Moschee wird allerdings weiterhin von einem Imam betreut, der die Gläubigen zu den festgesetzten Zeiten über Lautsprecher zum Gebet ruft. Am Minarett meint man zu sehen, dass hier immer noch alles in Ordnung und „die Kirche im Dorf ist“.

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