Julien Viaud |
Viauds erster
Roman Aziyadé (1879) beschreibt die tragische Liebe eines in Istanbul
lebenden französischen Marineoffiziers zu einer schönen Tscherkessin, die zum Harem eines alten reichen Türken gehört. Viaud verarbeitete darin autobiografisches Material, besonders im Kapitel Eyoub à deux, Eyüp zu zweit. Im Stadtteil Eyüp, wo Viaud mehrere Jahre lebte, befindet sich der Hügel vor der Stadtmauer
und bietet einen wunderbaren Ausblick auf das alte Istanbul und auf seinen
moderneren Teil Beyoğlu. Beide Stadtviertel werden getrennt durch die hier in
Eyüp noch schmale, aber zum Meer hin immer breiter werdende Flussmündung des Goldenen
Horn.
Viaud schrieb unter einem Künstlernamen, den er sich zuvor in der Südsee erworben hatte. Er nannte sich Loti nach einer tahitischen Blume, und fügte den Vornamen Pierre hinzu. Er hat lebenslang von seinen vielen Reisen Material mitgebracht und zu erfolgreichen Romanen verarbeitet. Marcel Proust hat ihn verehrt, die Académie française hat ihn durch eine Mitgliedschaft intellektuell geadelt.
Viaud schrieb unter einem Künstlernamen, den er sich zuvor in der Südsee erworben hatte. Er nannte sich Loti nach einer tahitischen Blume, und fügte den Vornamen Pierre hinzu. Er hat lebenslang von seinen vielen Reisen Material mitgebracht und zu erfolgreichen Romanen verarbeitet. Marcel Proust hat ihn verehrt, die Académie française hat ihn durch eine Mitgliedschaft intellektuell geadelt.
Als ich 48
Jahre nach Lotis Tod erstmals den Hügel mit seinem kleinen Teehaus, das Piyerloti hieß, besuchte, war mir der Ort noch als Geheimtipp genannt worden. Die Aussicht
auf Istanbul war damals durch hässliche Industrie- und Hafenanlagen und durch den
Fluss, der üblen Unrat mit sich führte und unangenehm roch, in grober Weise
gestört. Für Melancholie, die bei allem Verfall doch ein gewisses Maß an verbliebener
Schönheit voraussetzt, war hier kein Platz.
Piyerloti 1971 |
Weitere 38
Jahre später fand ich Fluss und Hügel vollkommen verändert vor. Eine rigorose
Stadtplanung hatte die Ufer weitestgehend von Bauten befreit, und eine noch
strengere Reinhaltung des Wassers ließ den Fluss so klar und rein fließen, dass
man an seinem Verlauf bis zur Mündung Heerschaaren von Anglern fand und noch heute findet.
Das Panorama von Istanbul wird jetzt ein wenig von einer neuen Brücke verdeckt, über die der Autobahnring um Istanbul verläuft. Er führt weiter nördlich über eine
weitere Brücke nach Asien hinüber. Das Teehaus ist erweitert und wird
über eine hochmoderne Kabinenseilbahn täglich von großen Besucherströmen
erreicht.
Ob man hier
noch einmal melancholische Momente erleben kann? Ich werde ab kommendem Freitag
für ein paar Tage mit einer türkisch-deutschen Reisegesellschaft in Istanbul sein und das neue
Hotel Pierre Loti auf dem Hügel über dem Fluss als Quartier haben. Es ist ein
moderner Gebäudekomplex, den man im Stil der Istanbuler Häuser aus Pierre Lotis
Zeiten in Holz errichtet hat. Ich freue mich auf die Reise.
Pierre Loti 2007 |
1 Kommentar:
Diese Melancholie ist immer noch über dem ganzen Land zu spüren. Das leckere, würzige türkische Essen zum Beispiel lässt schon mal melancholisch werden. Man sieht es in den türkischen Gesichtern. Man sieht es auch sogar bei unseren Ausländern wie Pierre Loti oder dem scheidenden brasilianischen Fußballstar Alex de Souza, der 9 erfolgreiche Jahre bei Fenerbahce Istanbul verbracht hat und die Türkei bald verlassen wird. Man hört es aus den Minaretten durch die Muezzine rufen, die trotz hektischen Alltag zum demütigen Gebet erinnern. Man hört es in türkischen Liedern und nicht nur in alten Klängen des von mir hoch geschätzten, letzte Woche verstorbenen, Neset Ertas aus Kirsehir:
http://www.youtube.com/watch?v=uiW9dbaA46c
Sondern sogar in modernen Pop Songs.Ich frage mich manchmal, ob es eine zweite Nation, außer den Türken in der Welt gibt, der zu traurigen Strophen, rhythmische Tanz Beats erfindet. Hier ein Beispiel von Tarkan, dem türkischen Michael Jackson: http://www.youtube.com/watch?v=bqW7PATq0dE
Der Titel ist " Ask gitti bizden= die Liebe hat sich von uns entfernt" Ein gesundes Maß an "Hüzün"ist allerdings auch meines Erachtens gut, richtig und wichtig. Sogar unser großer Denker/Philosoph und Vorbild Gülen spricht von Hüzün und nennt es sogar als heilig. Für ihn ist Hüzün wichtig, sein Leben gottesehrfürchtig in Demut zu verbringen. Jenseits ist der richtige Ort für Freude, eine Kostprobe ist davon im Diesseits gestattet, aber der Diesseits ist der Ort der demütigen Hingabe und ist mit einem gesunden Maß an Trauer verbunden. Ich freue mich auf Istanbul und Türkei!
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